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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen
Autoren: H Nesser
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er geglaubt, dass Maria während des Ausflugs den Abhang hinuntergefallen ist. Dass sie durch einen Unfall starb. Aber Annas Rechnung ging nicht auf. Es kam nicht so, wie sie gedacht hat. Germund wollte sie nicht, obwohl Maria fort war. Nicht wirklich, nur als ein ungebührliches Verhältnis, zwanzig Jahre lang. Und sie gab sich damit zufrieden … sie war besessen, es gibt dafür kein anderes Wort.«
    »Wann«, fragte Barbarotti, »wann haben Sie davon erfahren?«
    »Vor fünf Jahren«, sagte Berglund. »Ja, genauer gesagt vor fünfeinhalb. Als sie ernsthaft krank wurde. Ich gab mein Priesteramt einige Monate später auf, das eine hängt mit dem anderen zusammen, aber ich kann nicht sagen, wie genau. Es war mir unmöglich, weiterzumachen, diese Erklärung muss Ihnen genügen. Verstehen Sie jetzt, was ich meine, wenn ich sage, dass es ein verfehltes Leben war?«
    »Ich glaube schon«, sagte Barbarotti. »Aber ich möchte, dass Sie der Deutlichkeit halber auch von Grooths Tod berich-
ten.«
    »Sehr gern«, sagte Berglund, und Barbarotti konnte hören, dass er es tatsächlich so meinte. Dass es ihm ein bitteres Vergnügen bereitete, darüber zu berichten, wie der Liebhaber seiner Ehefrau seine Tage beendete.
    Und wer würde ihm das nicht gönnen?, dachte Gunnar Barbarotti und schob das Bild von Marianne und Germund Grooth zur Seite, das erneut in seinem Kopf auftauchte. Drückte es in das Fach des Vergessens, bevor es eine Chance hatte, Kontur anzunehmen.
    »Man könnte sagen, dass sie mich dazu getrieben hat«, sagte Rickard Berglund, »aber das ist nicht ganz richtig.«
    Barbarotti nickte.
    »Auch wenn sie es nicht gefordert hätte, hätte ich es aus eigenem Antrieb getan. Das hoffe ich zumindest. Auf jeden Fall wollte sie nicht sterben, bevor sie wusste, dass ich ihn beiseitegeschafft hatte. Dass ich ihn bestrafen sollte, nur dieser Gedanke hielt sie in den letzten Wochen noch am Leben. Verstehen Sie?«
    »Ich verstehe«, sagte Barbarotti.
    »Es ist wichtig, dass Sie das verstehen«, sagte Berglund. »Wenn ich Ihnen jetzt erzähle, wie es abgelaufen ist, möchte ich, dass es nicht falsch verstanden wird. Ich möchte, dass es richtig ankommt.«
    »Ich höre«, sagte Barbarotti. »Und ich bin kein Idiot.«
    »Gut«, sagte Berglund. »Das habe ich schon bemerkt, dass Sie kein Idiot sind. Wir haben also zusammen den Plan geschmiedet, und während wir das taten, hatten wir ein intensives Gefühl der Zusammengehörigkeit. Sie war schwach, hatte Schmerzen, aber das, was wir tun mussten … ja, das sollte in gewisser Weise unsere ganze missglückte Ehe kompensieren, unser missglücktes Leben. Und ich ging nach dem Plan vor. Ich nahm den Wagen und fuhr mitten in der Nacht nach Lund. Rief ihn von einem Handy aus an – mit Prepaidkarte, wie ein richtiger Verbrecher. Es war frühmorgens, ich stand vor seinem Haus. Ich fragte, ob ich hochkommen dürfte, er klang natürlich verwundert, aber ich sagte ihm, dass Anna im Sterben liege und dass es wichtig sei. Er bat mich, ein paar Minuten zu warten, dann ließ er mich hinein, und ich konnte natürlich …«
    »Ja?«
    Rickard Berglund stand auf. Er ging zu einem der Bücherregale und zog dort eine Schublade auf. Nahm einiges an Papier und ein paar Mappen mit dem Rücken zu Barbarotti heraus, und als er sich umdrehte, stand er mit einem schweren Revolver in den Händen da. Er hielt ihn in beiden Handflächen, als handelte es sich um etwas äußerst Zerbrechliches – für eine Sekunde blitzte das Bild eines Abendmahlkelchs in Barbarottis Kopf auf –, dann ging er fast feierlich zurück zum Sessel. Setzte sich und legte sich die Waffe quer auf den Schoß. Soweit Barbarotti sehen konnte, handelte es sich um eine Berenger – vielleicht auch um eine spanische Baluga. Auf Berglunds Schoß sah sie so fehl am Platz aus wie eine Bibel in einem Aquarium.
    »Legen Sie den weg«, sagte Barbarotti.
    Berglund schüttelte den Kopf.
    »Ich kann dieses Gespräch nicht unter Waffengewalt fortsetzen.«
    »Ich fürchte, Sie haben gar keine andere Wahl«, sagte Berglund.
    Gunnar Barbarotti dachte fünf Sekunden lang nach. Dann nickte er. War trotz allem dankbar, dass er selbst unbewaffnet war. Hätte er Zugang zu seiner Dienstpistole gehabt, wäre dadurch die Lage deutlich verändert gewesen. Das hätte ihn gezwungen, in der einen oder anderen Art und Weise zu reagieren. Und er wollte gar nicht reagieren, er wollte nur zuhören.
    »Ich hätte ihn natürlich sofort töten können«, setzte Berglund den
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