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Einsame Klasse.

Einsame Klasse.

Titel: Einsame Klasse.
Autoren: Raymond Chandler , Robert B. Parker
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Speichel war erneut in ihrem Mundwinkel aufgetaucht, und ihre Stimme lag jetzt in dem Bereich, in dem sie nur noch Hunde hören konnten. «Warum setzen Sie sich nicht, Mrs. Valentine?»
    sagte ich. Ihre Hände kamen wieder aus den Taschen, und in ihrer rechten lag eine Waffe. Sie war nicht besonders groß, versilbert, und soweit ich den Griff erkennen konnte, war er aus Perlmutt. Es war eine hübsche kleine Waffe, eine zum Herumtragen für die Dame, eine hübsche kleine Automatik, wahrscheinlich eine .25. Möglicherweise mit präparierten Kugeln geladen. Das unbarmherzige schwarze Auge der Waffe geriet zu keiner Zeit ins Wanken, als sie es auf mich gerichtet hielt. Die Kugel würde kein besonders großes Loch in meiner Stirn hinterlassen, wahrscheinlich nicht einmal eine Austrittswunde verursachen, nur drinnen ein paarmal abprallen, damit der Leichenbeschauer sie problemlos finden konnte, wenn er unten in der Stadt die Autopsie an mir vornahm.
    Sie hielt die Waffe mit beiden Händen, geradeaus von sich weggestreckt, die Knie etwas gebeugt, die Füße bequem auseinandergestellt, als ob es ihr jemand beigebracht hätte. Ihr Mund war geöffnet, und ihre Zunge bewegte sich schnell über die Unterlippe. Sie atmete mit kleinen Schnaufern durch die Nase.
    «Er liebt mich», sagte sie. «Und ich werde... Sie... das nicht... verderben... lassen.»
    Alles bewegte sich sehr langsam. Der Regen spulte sich mit unendlicher Muße gegen das Fenster ab. Ich entdeckte einen verirrten Regentropfen, der sich am Aufschlag von Muriels Regenmantel hinunterschlängelte.
    «Sie haben alle versucht, es zu verderben, nicht wahr?»
    «Ja», flüsterte sie.
    «Und Sie mussten sie töten?»
    «Ja», wieder ein Flüstern, ein in einem langen Zischen herausgepresstes Wort.
    «Lola», sagte ich. Sie nickte langsam. «Lippy.» Wieder das Nicken.
    Ich beugte mich langsam nach vorn und griff nach meinem Kaffee. «Aber ich nicht. Ich versuche zu helfen. Ich weiß, wo Larry ist.»
    Sie schüttelte langsam den Kopf. Alles war sehr langsam.
    «Sie... werden es... nicht... verderben», sagte sie.
    Ich ließ meine Kaffeetasse fallen. Der Kaffee schwappte über meine Hosenbeine, als die Tasse auf meinem Oberschenkel landete und zu Boden fiel.
    «Hoppla», sagte ich, erhob mich kurz vom Stuhl hinter meinem Schreibtisch, bückte mich, um sie aufzuheben, und kramte dabei die .38 unter meinem Arm heraus. Ich ließ mich mit der linken Schulter auf den Boden fallen. Über mir war ein dumpfes Schnappen und dann noch eins zu hören, und zwei Kugeln gruben sich in die Wand hinter meinem Schreibtischstuhl. Ich gab einen geraden Schuss in die Decke ab, um sie wissen zu lassen, dass ich eine Waffe hatte. Ich hatte mich jetzt auf die Knie gerollt, noch immer hinter dem Schreibtisch gekauert, und wartete mit der .38 im Anschlag. Ich konnte ihren schnellen, flachen Atem hören.
    «Ich will Sie nicht erschießen», sagte ich und kroch um die Ecke des Schreibtischuntersatzes. Ich hörte ihre Absätze, dann die Tür. Als ich aufstand, sah ich die Vorzimmertür zuschwingen. Ich ging zum Fenster und blickte hinunter auf den Hollywood Boulevard. Nach etwa einer Minute sah ich sie auf die nasse Straße hinaustreten, sich nach rechts wenden und den Hollywood Boulevard hinaufgehen; sie ging schnell, mit gesenktem Kopf, die Hände in den Taschen des Regenmantels.
    Die meisten der Wagen auf dem Boulevard hatten an diesem schiefergrauen Morgen ihre Scheinwerfer eingeschaltet. Sie schienen auf den feuchten Gehweg und vermischten sich mit den bunten Neonspiegelungen und dem Glanz auf den nassen Wagendächern, als ich ihr hinterhersah, wie sie sich westwärts bewegte, vorbei am Chinesischen Theater, vorbei an den Souvenirshops und den Läden, in denen Reizwäsche verkauft wurde. Ich wandte mich ab, nahm die leere Hülse aus der Trommel, tat eine neue hinein und verstaute die Waffe wieder unter meinem Arm. Dann holte ich einige Papiertücher, wischte den vergossenen Kaffee auf und warf den Pappbecher weg. Ich betrachtete die Kugellöcher in der Wand und das in der Decke. Ich konnte nicht viel tun.
    Wahrscheinlich nichts Besseres, als sie unberührt zu lassen. Das würde meinem Image guttun. Ich zog meinen Trenchcoat wieder an und machte mich auf den Weg nach draußen, um meinen Wagen vom Parkplatz an der Cahuenga zu holen.
    Ich hatte es nicht eilig. Ich wusste ziemlich sicher, wo sie hingehen würde. Es gab keinen anderen Ort.

39
    Manchmal glaube ich, dass Südkalifomien im Regen besser
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