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Einmal ist keinmal

Einmal ist keinmal

Titel: Einmal ist keinmal
Autoren: Janet Evanovich
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liefere ich ihn als erstes bei dir ab.«
    »Kommt nicht in Frage«, sagte Gruber. »Dir kann man nicht trauen. Ich bin jetzt schon seit fünf Tagen hinter der Karre her.«
    »Dann kommt es doch auf einen Tag mehr oder weniger auch nicht mehr an.«
    »Dafür würde ich aber eine kleine Gegenleistung erwarten, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Mich überkam ein Brechreiz. »Das kannst du dir abschminken. Nimm den Wagen. Nimm ihn gleich mit. Ich gehe zu Fuß zu meinen Eltern.«
    Grubers Blick hatte sich auf meiner Brust festgehakt. Ich habe BH-Größe 80B. Ansehnlich, aber keinesfalls überwältigend bei meinen einssiebzig. Ich trug eine schwarze Radlerhose und ein schlabbriges Eishockeyhemd. Kein besonders verführerisches Outfit, aber Gruber glotzte trotzdem.
    Er grinste so breit, daß man sehen konnte, wo ihm ein Backenzahn fehlte. »Vielleicht könnte ich doch noch bis morgen warten. Schließlich waren wir zusammen auf der Highschool.«
    »Hm, tja.« Mehr fiel mir dazu beim besten Willen nicht ein.
    Fünf Minuten später bog ich von der Hamilton in die Roosevelt ein. Es waren noch zwei Block bis zum Haus meiner Eltern, aber ich spürte bereits, wie die familiären Pflichten nach mir riefen und mich in das Herz des heimatlichen Viertels zogen. In diesem Viertel wohnten fast nur Großfamilien. In diesem Viertel gab es Sicherheit, Liebe, Stabilität und tröstliche Rituale. Die Uhr am Armaturenbrett sagte mir, daß ich sieben Minuten zu spät dran war, und daran, daß ich beinahe einen Schreikrampf bekommen hätte, merkte ich, daß ich zu Hause war.
    Ich hielt und sah mir das schmale Doppelhaus an, die Veranda mit den Jalousien und die Aluminiumvordächer. Die Plumsche Hälfte war gelb gestrichen, wie seit vierzig Jahren schon, und das Dach war mit braunen Schindeln gedeckt. Schneeballsträucher rahmten die Betontreppe ein, und entlang der Veranda blühten in gleichmäßigen Abständen rote Geranien. Das Haus machte nicht viel her. Vorne das Wohnzimmer, in der Mitte das Eßzimmer, hinten die Küche, im ersten Stock drei Schlafzimmer und das Bad. Es war ein ordentliches, bescheidenes kleines Haus, vollgesogen mit Küchengerüchen und vollgestopft mit Möbeln.
    Mrs. Markowitz von nebenan, die von Sozialhilfe lebte und sich nur Farben aus dem Sonderangebot leisten konnte, hatte ihre Haushälfte giftgrün gestrichen.
    Meine Mutter stand an der offenen Fliegendrahttür. »Stephanie«, rief sie. »Was sitzt du noch da im Wagen? Du bist sowieso schon zu spät dran. Du weißt doch, wie sehr dein Vater es haßt, wenn nicht pünktlich gegessen wird. Die Kartoffeln werden kalt. Der Braten trocknet aus.«
    In meinem alten Viertel wird dem Essen große Bedeutung zugemessen. Der Mond dreht sich um die Erde, die Erde dreht sich um die Sonne, und in meinem alten Viertel dreht sich alles um den Sonntagsbraten. Solange ich zurückdenken kann, wird das Leben meiner Eltern von fünf Pfund schweren Rollbraten bestimmt, die Punkt sechs Uhr abends perfekt zubereitet auf dem Tisch zu stehen haben.
    Grandma Mazur stand zwei Schritte hinter meiner Mutter. »So was muß ich mir auch besorgen«, sagte sie mit einem neidischen Blick auf meine Shorts. »Ich habe immer noch ziemlich schöne Beine.« Sie lüpfte ihren Rock und besah sich ihre Knie. »Was meinst du? Ob mir diese Radlerhosen wohl stehen würden?«
    Grandma Mazur hatte die schönsten Knubbelknie. In ihrer Jugend war sie eine Schönheit gewesen, aber mit den Jahren waren ihre Knochen spindelig und ihre Haut schlaff geworden. Wenn sie trotzdem Radlerhosen tragen wollte, meinen Segen hatte sie. Das war einer der vielen Vorteile, die das Leben in New Jersey mit sich brachte: Sogar alte Damen konnten so ausgeflippt herumlaufen, wie sie wollten.
    Aus der Küche, wo mein Vater gerade den Braten aufschnitt, drang ein entsetztes Knurren. »Radlershorts«, murmelte er und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Igitt!«
    Als Grandpa Mazur vor zwei Jahren durch seine verfetteten Arterien in die ewigen Bratengründe befördert wurde, war Grandma Mazur bei meinen Eltern ein- und nie wieder ausgezogen. Mein Vater fand sich mit einer Mischung aus altmodischem Stoizismus und taktlosem Geknurre wohl oder übel mit dieser Tatsache ab.
    Früher hat er mir oft von dem Hund erzählt, der ihm als Junge gehört hatte. Wenn man ihm seine Geschichte glauben kann, war es der häßlichste, älteste, einfältigste Hund aller Zeiten. Er hinterließ überall Urinpfützen, hatte das ganze Maul voller
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