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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben
Autoren: Algis Budrys
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und aufpassen. Das Haus daneben gehört Fritch. Der alte Fritch lebt allein, aber er ist ein listiger Mensch. Er hat das ganze Haus mit Fallen vollgestopft. Könnte aber trotzdem nichts schaden, wenn du hier ab und zu mal vorbeischauen würdest.“
    Am Ende des Nachmittags wußte er in der Stadt schon recht gut Bescheid. Sie sah ähnlich wie alle anderen Städte in der Ebene aus – die Häuser standen zum gegenseitigen Schutz eng beieinander und nach außen verliefen Felder in allen Richtungen. Es war jetzt Spätherbst, und die Felder waren kahl, aber er konnte es sich vorstellen, wie es im Sommer aussehen würde: grün und wohlhabend und so zäh wie das Gras, das in ständigem Kampf mit dem Wind der Prärie lag. Eine Reihe von kahlen Pfählen fiel ihm auf, die sich in einer Reihe bis zum Horizont erstreckten. Er machte eine Kopfbewegung zu ihnen hin.
    „Die Telefonleitung“, erklärte das Mädchen. „Im letzten Juli waren hier ein paar Leute aus dem Osten und haben uns mit dem Netz von St. Louis verbunden. Im Frühjahr wollen sie die Kabel ziehen. Das ganze alte Zeug ist natürlich längst hinüber.“ Sie drehte sich abrupt in ihrem Sattel um und sah ihn an. „Wie ist es denn da unten im Osten?“ fragte sie und lachte. „Eigentlich komisch. Wir sitzen alle im gleichen Dreck, und trotzdem gibt es diesen großen Unterschied zwischen den Stadtleuten und den Bauern in den Dörfern. Aber Pete hat mir erzählt, daß es schon immer so war.“
    Sie schien wirklich interessiert zu sein. Am Anfang, um Konversation zu machen, dann aber, als er sich vergaß, aus einer seit langem eingedämmten Quelle von Mitteilungsbedürfnis heraus, fing er an, ihr von seinem Leben in New Jersey und davon, wie die Leute dort waren, sowie über seine Familie zu erzählen. Sie hörte gespannt zu, hakte an der einen oder anderen Stelle nach und machte manchmal erstaunlich einsichtige Bemerkungen. Als die beiden vor ihrem Haus die Pferde anhielten, wußte sie eine ganze Menge über ihn. Selbst seine protestierenden Muskeln und schmerzenden Knie brachten es nicht fertig, das Gefühl von Zufriedenheit in ihm zu übertönen.
    Aber eines ließ er nie ganz aus seinem Bewußtsein entschwinden: Irgendwie würde er eines Tages einen Weg finden, von hier zu entkommen.
     
    Als er eine Woche in Kalletsburg war, wußte er, wie er es fertigbringen würde. Es war der einzige Weg, der bei diesen Leuten Erfolg haben würde. Es mochte ein Jahr dauern, vielleicht auch zwei. Wenn aber die Zeit kam, würde er verschwinden. Er spielte jetzt schon mit dem Gedanken, ob es vielleicht möglich wäre, Pat mitzunehmen.
    Es hatte keinen Sinn, an dem Überwachungssystem vorbeizukommen, das sie ausgearbeitet hatten. Selbst wenn nur Pat bei ihm war, so hatte sie eine Pistole im Gürtel, und Drumm hatte das, was er gesagt hatte, ernst gemeint. Er blieb unbewaffnet, was am Anfang ein äußerst unangenehmes Gefühl gewesen war, das er kaum abschütteln konnte. Sein Gewehr war so sehr ein Teil von ihm geworden, daß er sich an dieses Gewicht gewöhnt hatte und es für sein Gleichgewichtsgefühl benötigte. Er erwischte sich dabei, wie er sich in der Höhe seiner Schulter verschätzte oder sich in der Muskelkraft, die nötig war, um seinen Arm zu heben, verkalkulierte. Ohne sein Gewehr fühlte er sich linkisch und unbeholfen, und in der kurzen Zeit war es ihm noch nicht gelungen, dieses Gefühl ganz abzulegen.
    Aber er würde sich daran gewöhnen können, und wenn es soweit war, würde er sich auch wieder umgewöhnen. Die Schwachstelle der Stadt nämlich war ihre Überschaubarkeit. Er hatte ständigen Kontakt mit allen. In einiger Zeit würden sie sich an seinen Anblick vollständig gewöhnt haben. Wenn er mit ihnen reden und sie ihm zuhören würden, würde er mit der Zeit einer von ihnen werden. Mit der Zeit könnte er vielleicht auch anfangen, selbst ein eigenes kleines Feld zu bestellen. Vielleicht würde er ein Haus bauen. Er würde ihnen hundert Anzeichen geben, daß er für immer bleiben wollte – genauso wie sie an die Stadt gebunden.
    Und dann würde er eines Nachts verschwinden, und sie würden sich einen neuen Sheriff suchen müssen. Und wie er es sich schon überlegt hatte, bestand die entfernte Möglichkeit, daß Pat es sich überlegen würde, mit ihm zu kommen, wenn es soweit war.
    Er lächelte still in sich hinein.
    „Worüber bist du denn so froh?“ fragte Drumm. Jeffs Grinsen wurde breiter. Im Augenblick akzeptierte jeder, nach Art einer kleinen Stadt,
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