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Einfach hin und weg

Einfach hin und weg

Titel: Einfach hin und weg
Autoren: Gerhard Jansen
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mit denen man Pferde stehlen kann. Immer fröhlich und gut gelaunt, naturverbunden und drahtig. Mit einer Stimme wie eine Nachtigall.
    Als wir in El Acebo am Marktplatz einen Brunnen und eine Linde sehen, erwähne ich das gleichnamige Lied vom Brunnen vor dem Tore und schon fängt Sandra an zu singen. Und dann singen wir zu zweit und die Leute schauen.
    Heute wandere ich gerne mit anderen Leuten. Es gibt ein wenig Abwechslung und macht die Schmerzen erträglicher.
    Das Eisenkreuz befindet sich auf 1.500 m Höhe. Bis Molinaseca geht es fast nur bergab bis auf 600 m. Der geübte Wanderer weiß zwar, dass Bergabgehen schlimmer ist als Bergaufgehen, aber heute spüre ich es wieder am eigenen Leib, was es heißt. Die Blasen brennen wie Feuer und wenn die Füße beim Abwärtsgehen im Schuh nur ein wenig Spiel haben, dann wird jeder Schritt zur Tortur.
    Die Herberge ist nicht ausgebucht. Weiß der Himmel, wo all die Pilger geblieben sind, die noch vor ein paar Tagen auf dem Weg waren. Es ist zwar noch immer eine Menge los, aber die schlimmen Befürchtungen von einem Camino à la Kudamm oder Champs Elysée haben sich nicht erfüllt.
    Ich habe auch meine Ersatzbrille verloren und Alfredo fährt mich in die Stadt zur Apotheke, um eine neue zu kaufen. Meine Vergesslichkeit!
    Einen Tag, nachdem ich mein Taschenmesser nicht mehr finden konnte, kam mir der Gedanke, dass ich es vielleicht in irgendeine der vielen Rucksacktaschen gesteckt haben könnte. Es war tiefste Nachtruhe und ich konnte nicht mehr nachschauen. Da fielen mir die verstorbenen Freunde meiner Eltern aus Kalterherberg in der Eifel ein, die, sehr katholisch, immer zum heiligen Antonius beteten, wenn ein Tier weggelaufen war oder sie etwas verloren hatten. Also bat ich den heiligen Antonius um Hilfe und um Einsehen. Nach allem, was ich schon liegengelassen beziehungsweise verloren hatte, möge er doch bitte beide Augen zudrücken und mein Schweizer Messer, ein Geschenk meiner Schwiegermutter, wieder in den Rucksack legen.
    Am anderen Morgen stand ich in aller Frühe auf, durchsuchte den Rucksack und fand - nichts. Wahrscheinlich hat der heilige Antonius mir damit sagen wollen, dass ich gefälligst auf meine Sachen aufpassen und die Gedanken zusammenhalten solle. Und dass Dummheit bestraft werden müsse.
    Recht hat er!
     

12.06.2007 Molinaseca – Ponferrada - Cacabelos
     
    Auf dem Weg nach Ponferrada komme ich durch Kirschenland. Zumindest habe ich dem Landstrich diesen Namen verliehen, den er aber auch wirklich verdient. Kirschbaumplantagen so weit das Auge reicht. Hellrote, dunkelrote und schwarze, kleine und große Kirschen. Teilweise reif und verlockend anzuschauen. Große Hinweisschilder „Nicht pflücken. Die Früchte sind gespritzt“ zeigen, dass hier Pilger angehalten werden sollen, im Vorbeigehen zu pfeifen und die Hände am Rucksack zu halten. Wo die Ernte bereits voll im Gange ist, stehen die Hinweisschilder ebenfalls noch neben den Leitern. Nichts als Bluff!
    Am nächsten Baum, wo keiner guckt, füll ich mir die Taschen. Das wiederholt sich ein paar Mal, und ich haue mir den Bauch voll bis es nicht mehr geht. Ohne irgendwelche Konsequenzen.
    In Ponferrada komme ich am Hôpital de la Reina vorbei und gehe in die Ambulanz. Nach 5 Minuten kommt der diensthabende Arzt und ich bitte ihn, sich doch meine Füße und die Blasen anzusehen. Der Doktor schaut sich alles in Ruhe an, desinfiziert, beträufelt die Wunden mit einer beißenden Flüssigkeit und wickelt neue Verbände. Keine Entzündung! Dann drückt er mir noch Ersatzpflaster und Mullbinden für 14 Tage in die Hand. Auf meine Frage, was ich bezahlen soll, schüttelt er den Kopf. Nichts. Für Pilger ist die Behandlung kostenlos.
    48 Stunden später hatte ich gesunde Füße und bis Muxía keine Beschwerden mehr.
    Mit dem neuen Verband komme ich allerdings nicht mehr in meine schweren Wanderschuhe. Ich binde sie an den Rucksack und ziehe mir meine Trekking-Sandalen an, mit denen ich zwei
    Tage lang herumlaufe. Welche Wohltat, keinen Druck an den Füßen zu spüren.
    Ponferrada ist eine Industriestadt mit etwa 60.000 Einwohnern. Überragt wird sie von einer riesigen alten Burg des Templerordens aus dem 12. Jahrhundert. Leider ist sie wegen Renovierung fast komplett eingerüstet und kaum sichtbar. Weiter geht es durch die kleine nette Altstadt in Richtung Cacabelos quer durch die Region Bierzo. Viele kleine Gärten und Felder, dazwischen Weinanbau und Obstbäume. Zum ersten Mal sehe ich hier
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