Einfach Abschalten

schon bald wireless und mobil wurde. Und wir rüsten ständig auf, immer auf der Suche nach größerer Geschwindigkeit und Reichweite. Inzwischen erweitern wir innerhalb unseres vernetzten Lebens den Grad und die Intensität unserer Verbindung zu anderen. Viele von uns haben mehrere E-Mail-Konten mit ständig anwachsenden Kontaktlisten. Wir melden uns beim neuesten sozialen oder beruflichen Netzwerk an und nehmen an Untergruppen und Foren innerhalb dieser Netzwerke teil.
    In dem Maß, in dem die Zahl der Leute ansteigt, mit denen wir verbunden sind, nehmen auch die Häufigkeit und das Tempo unserer Kommunikation zu. Als wir uns noch im Übergang zum digitalen Zeitalter befanden und die Technologie noch langsamer war, hörten wir Tage und Wochen nichts von unseren Freunden oder Familienmitgliedern. Heute sind wir stündlich, ja, minütlich in Kontakt. Es ist noch nicht so lange her, dass Leute, die zwei- bis dreihundert E-Mails am Tag erhielten, als extrem überbeschäftigt galten, als Mitleidsgestalten. Jetzt sind sie die Regel. In rein quantitativen Begriffen sind die, die am meisten verknüpft sind, allen anderen nur ein paar Jahre voraus. Die Nachricht von einer jungen Frau aus Kalifornien, die es in einem einzigen Monat auf mehr als 300 000 SMS gebracht hat 5 , gibt einem eine Ahnung davon, wo wir gelandet sind. »Teenager aus Sacramento sagt, sie sei beliebt«, hieß es in der Unterschlagzeile. Wie werden wir Beliebtheit in zehn Jahren definieren?
    Das Ziel lautet nicht länger, »in Verbindung« zu bleiben, sondern dafür zu sorgen, dass es gar nicht dazu kommen kann, jemals den Kontakt zu verlieren; das Ziel lautet, sich mit jedem zu vereinigen, simultan zu leben, jeden Augenblick, jede Empfindung, jeden Gedanken und jede Haltung über unsere Bildschirme zu teilen. Selbst die Orte, an die wir uns bisher von der Menge und der Belastung, die sie darstellt, zurückgezogen haben, sind nun vernetzt. Ein simpler Gang nach draußen ist heutzutage etwas völlig anderes als vor fünfzehn Jahren. Egal, ob man eine Großstadtstraße hinabgeht oder in den Wald nahe einem ländlichen Städtchen – sobald man sein Handy dabeihat, ist die globale Gemeinde auch dabei. Ein Spaziergang kann immer noch ein sehr schönes Erlebnis sein, aber es ist qualitativ eine andere Erfahrung, denn sie ist geschäftiger. Die Luft ist voller Leute.
    Jemand, den Sie kennen, hat gerade einen tollen Film gesehen. Jemand anders hatte einen müßigen Gedanken. In Südostasien hat es ein Selbstmordattentat gegeben. Die Börsenkurse sind gestiegen. Ein Popstar hat ein schreckliches Geheimnis. Jemand hat eine neue Meinung. Jemand sitzt in einem Taxi. Bitte unterstützen Sie dieses lohnenswerte Anliegen. Er braucht diesen Bericht von Ihnen – wo ist der? Jemand will, dass Sie an der Diskussion teilnehmen. Die Fahndung nach den Killern wurde eingeleitet. Versuchen Sie das mal im Bett. Jemand genießt ein Sorbet, hhhhm. Ihr Konto ist überzogen. Einfacher Hühnchen-Eintopf. Hier ist eine brillante Analyse. Die jüngsten Videos von unserer Safari in Afrika! Jemand hat auf Ihren Kommentar geantwortet. Die Zeit läuft ab, jetzt anmelden! Das ist meine neue Frisur. Habe gerade einen klasse Witz gehört. Jemand arbeitet hart an seinem großen Projekt. Sie haben ihr Baby bekommen! Klicken Sie hier, um die neuesten Auszählungsergebnisse zu sehen …
    Das kommt in so rasanter Abfolge, dass wir unentwegt hinterherlaufen. Je tiefer wir uns auf diese Lebensweise einlassen, desto mehr denke ich, das alte Mantra meiner Freundin Marie könnte wirklich zur hippen Grußformel des digitalen Zeitalters werden. Wie geht es dir? Ich bin beschäftigt, sehr beschäftigt.
    Ein Teil des Problems ist, dass wir aus Erfahrung wissen, dass Geschäftigkeit und Tiefe sich nicht gegenseitig ausschließen. Wir alle hatten schon Augenblicke, in denen wir auf gute Art beschäftigt waren, uns behände von Aufgabe zu Aufgabe geschwungen haben und uns der einen, die gerade anstand, die ganze Zeit über voll und ganz gewidmet haben. So arbeiten große Chirurgen, die zahlreiche schwierige Vorgänge an einem Tag bewältigen, jedoch nacheinander, sodass jeder einzelne jeweils die volle Aufmerksamkeit erhält. Wenn man viel auf der Liste hat, verlangt das eine gewisse Disziplin. Es ist etwas Wahres an der alten Redensart, wonach man umso mehr schafft, je mehr man zu tun hat.
    Unglücklicherweise funktioniert digitale Geschäftigkeit für gewöhnlich anders als die Chirurgie. Dutzende von