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Einfach Abschalten

Einfach Abschalten

Titel: Einfach Abschalten
Autoren: William Powers
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meisten Leuten passiert, sondern darum, was jedem Einzelnen Stunde um Stunde und im jeweiligen Augenblick widerfährt. Statt das Allgemeine als Weg zum Besonderen zu wählen, müssen wir manchmal genau umgekehrt vorgehen. Das gilt ganz besonders für die Frage der Lebensqualität. In den vergangenen Jahren ging vom Denken und Verhalten der Masse eine unglaubliche Faszination aus. Die digitale Gemeinde, so wurde uns gesagt, besitze nicht nur Macht, sondern auch Weisheit.
    Die Menge im Allgemeinen zu beobachten kann sicherlich Auskunft darüber geben, wohin sich der Massengeschmack gerade bewegt und wer zu welchem Zeitpunkt welche Produkte kauft. Das hat jedoch nichts mit Weisheit zu tun, sondern es ist das, was man gemeinhin den »gesunden Menschenverstand« nennt; also die Fähigkeit, so pfiffig zu sein, die Zeichen zu lesen, die einem bei Aktienkäufen, Glücksspiel und anderen kurzfristigen Betätigungen nützlich sind. Jede Menschenmenge ist nur eine Ansammlung von individuellen Persönlichkeiten, und um zu verstehen, was im jeweiligen Inneren einer Person vor sich geht, verfügen wir alle über dieselbe unmittelbare, passwortfreie und vertrauenswürdigste aller Quellen. Wenn wir ihm nur Beachtung schenken, kann unser eigenes Leben uns Dinge lehren, die kein Datenserver zu bieten hat.
    Um Ihnen beim Nachdenken über Ihr eigenes vernetztes Leben behilflich zu sein, werde ich mit zwei meiner Geschichten anfangen. Die erste handelt von dem Drang, sich mit anderen via Bildschirm zu verbinden – woher kommt er, und was macht ihn so dringend? Die zweite handelt vom gegenteiligen Impuls, dem Wunsch, sich »auszustöpseln«. Meine Erfahrungen werden nicht genau dieselben sein wie Ihre. Ich biete diese Geschichten zur Illustration der konkurrierenden Beweggründe an, die so viele von uns neuerdings umtreiben, jeden auf seine spezielle Weise. Was wir bisher nicht herausgefunden haben, ist, wie wir diese widerstreitenden Impulse miteinander in Einklang bringen können oder ob sie sich überhaupt in Einklang bringen lassen. Das ist die zentrale Frage, die vom digitalen Zeitalter aufgeworfen wird, und um sie zu klären, müssen wir sie zunächst eingehend im Zusammenhang sämtlicher Gegebenheiten des Alltags betrachten.
    2 Bragg, Mary Ann: »Modernist Makeover in Wellfleet«, in: Cape Cod Times vom 2. Januar 2010.
    3 James, William: »On a Certain Blindness in Human Beings«, in: On Some of Life’s Ideals, New York 1912, S. 37.
    4 Ebda., S. 3–46.
    5 »Teen Tops More than 300,000 Texts in Month: Sacramento Teen Says She’s Popular«, www.ksbw.com, veröffentlicht am 5. Mai 2009.
    6 »Americans Spend Eight Hours a Day on Screens«, AFP (Agence France-Presse) Veröffentlichung vom 27. März 2009. Tim Gray, »Study: U. S. Loaded with Internet Addicts«, www.sci-tech-today.com (18. Oktober 2006). »Texting and Driving Worse than Drinking and Driving«, www. CNBC .com (25. Juni 2009).

Teil II
    Abseits der Masse
    Die Lehren der sieben Bildschirmphilosophen

Teil III
    Auf der Suche nach Tiefe
    Ideen in der Anwendung

12 | Weniger beschäftigt
    Praktische Philosophie für den Alltag
    Bisher sind wir in dieser neuen Ära einer klaren Entweder-oder-Strategie gefolgt: Wir waren darauf aus, die ganze Zeit so vernetzt wie nur möglich zu sein. Das war bei den meisten keine bewusste Entscheidung. Wir handelten danach, ohne wirklich darüber nachzudenken, ohne zu merken, dass es eine Alternative gab.
    Wir hatten die Wahl und haben sie immer noch. Und weil es eine bewusste Entscheidung ist, wie wir mit unseren technischen Gerätschaften leben, ist diese Fragestellung wirklich eine philosophische. Es ist eine Frage der Ideen und Prinzipien, die uns leiten. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird der Preis dieses Lebens auf die Dauer die Vorteile übertreffen. Die Lösung liegt daher darin, sich eine neue Weltsicht anzueignen, durch die wir zu einer bedachteren, überlegteren Lebensweise kommen. Überall um uns herum kann man darauf stoßen. Wann immer ich einen Zwischenraum zwischen mir und meinem Bildschirm eröffne, geschieht etwas Gutes. Ich habe dann Zeit und Raum, über mein Leben in der digitalen Sphäre und all die Leute und Ideen nachzudenken, die mir dort begegnen. Ich habe die Gelegenheit, die äußere Erfahrung am Bildschirm wieder mit nach innen zu nehmen. Das habe ich auf unscheinbare, aber einprägsame Weise an dem Tag erlebt, als ich meine Mutter auf meinem Weg vom Flughafen zu ihr anrief. Es war ein Routineanruf –
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