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Eine wie Alaska

Titel: Eine wie Alaska
Autoren: J Green
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Satz, den ich suchte, stand am Ende des Buchs, ich hatte ihn mit Textmarker unterstrichen. (»KEIN TEXTMARKER IN MEINEN BÜCHERN«, hatte Dad tausendmal gesagt. Aber wie sollte ich sonst je was wiederfinden?)
    »Also, dieser Typ hier«, sagte ich, als ich mit dem Buch in der Hand in der Wohnzimmertür stand, »François Rabelais. Er war Dichter. Und seine letzten Worte waren: ›Nun mache ich mich auf die Suche nach dem großen Vielleicht.‹ Deswegen möchte ich weg. Ich will nicht warten, bis ich tot bin, mit meiner Suche nach dem großen Vielleicht.«
    Und das tröstete sie. Ich war dem großen Vielleicht auf der Spur, und meine Eltern wussten so gut wie ich, dass ich es bei Leuten wie Marie und Will nicht finden würde. Und dann setzte ich mich wieder zu Mom und Dad auf die Couch, und mein Dad legte den Arm um mich, und so blieben wir eine ganze Weile sitzen, still und ganz nah beieinander, bis ich das Gefühl hatte, es wäre okay, den Fernseher anzumachen, und dann aßen wir Artischocken-Dip zu Abend und sahen uns einen Dokumentarfilm an. Was Abschiedspartys angeht, hätte es mit Sicherheit noch viel schlimmer laufen können.
Einhundertachtundzwanzig Tage vorher
    In Florida war es natürlich tierisch heiß und schwül dazu. Es war so heiß, dass die Klamotten wie Tesafilm am Körper klebten und einem der Schweiß wie Tränen von der Stirn in die Augen lief. Aber es war nur draußen heiß, und normalerweise hielt ich mich höchstens dann draußen auf, wenn ich mich von einem klimatisierten Ort zum anderen bewegte.
    Und so war ich auf die phänomenale Hitze nicht vorbereitet, die mich in Culver Creek erwartete, zwanzig Kilometer südlich von Birmingham, Alabama. Meine Eltern hatten den Wagen auf der Wiese vor dem Schlafsaal geparkt, nur ein paar Meter von Zimmer43 entfernt. Doch jedes Mal, wenn ich die wenigen Schritte zum Auto und zurück ging, um meine Sachen auszuladen, die immer mehr zu werden schienen, brannte mir die Sonne durch die Kleider auf die Haut, dass ich plötzlich eine Ahnung hatte, wie sich das Höllenfeuer anfühlte.
    Zu dritt hatten wir in wenigen Minuten alles ausgeladen. Doch in meinem unklimatisierten Zimmer war es kaum kühler als draußen, auch wenn hier wenigstens nicht die Sonne schien. Ich hatte es mir ganz anders vorgestellt: keine Spur von den dicken Teppichen, den holzverkleideten Wänden und antiken Möbeln, die ich von einer ehrwürdigen Privatschule erwartet hatte. Bis auf einen kleinen Luxus – ein eigenes Bad – zog ich in einen Schuhkarton ein. Die unverputzten Wände, die mehrmals überstrichen waren, und der schwarzweiß karierte Linoleumboden erinnerten mehr an ein Krankenhaus als an das Internatszimmer meiner Träume. Ein Stockbett aus unbehandeltem Holz mit Nylonmatratzen stand am Fenster nach hinten raus. Je zwei Schreibtische, Schränke und Regale waren an den Wänden festgeschraubt, um jede kreative Einrichtungsidee zu unterbinden. Und keine Klimaanlage .
    Ich setzte mich auf das untere Bett, während meine Mutter einen Stapel Biografien aus dem Koffer holte, von denen sich mein Dad hatte trennen können, und anfing, die Regale einzuräumen.
    »Ich mach das schon, Mom«, sagte ich. Dad stand bereits in der Tür. Abfahrtsbereit.
    »Lass mich wenigstens das Bett beziehen«, bat Mom.
    »Nein, ehrlich. Ich mach das schon. Das ist okay.« Solche Dinge darf man nicht ewig rauszögern. Irgendwann muss das Pflaster ab, mit einem Ruck, auch wenn’s wehtut, aber dann ist es vorbei, und du fühlst dich besser.
    »Gott, wir vermissen dich«, platzte Mom heraus und stakste durch das Minenfeld der Koffer zu mir rüber. Ich ließ mich in den Arm nehmen. Dann kam auch Dad, und irgendwie umarmten wir uns alle drei. Aber es war heiß, und wir waren verschwitzt, und unsere Umarmung konnte nicht lange dauern. Vielleicht hätte ich weinen sollen, aber nach sechzehn Jahren im Schoß meiner Eltern schien es irgendwie an der Zeit für eine vorläufige Trennung.
    »Keine Sorge.« Ich grinste. »Endlich lern’ ich, wie mer in’n Südstaaten red’t.« Mom lachte.
    »Mach keine Dummheiten«, sagte Dad.
    »Okay.«
    »Keine Drogen. Kein Alkohol. Keine Zigaretten.« Als ehemaliger Schüler von Culver Creek hatte er all das getan, wovon ich nur gehört hatte: geheime Partys, nackig durch Kornfelder rennen (er beschwerte sich, dass Culver Creek damals eine reine Jungenschule war), Drogen, Alkohol und Zigaretten. Er hatte lange gebraucht, um mit dem Rauchen aufzuhören, aber heute lagen seine
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