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Eine Vorhaut klagt an

Eine Vorhaut klagt an

Titel: Eine Vorhaut klagt an
Autoren: Shalom Auslander
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Schabbes , riefen wir zurück.
    – Gut Schabbes , rief ein dritter Jemand.
    – Verpiss dich, brummelte ich.
    Schließlich überquerten wir die State Street und entdeckten einen kleinen Spielplatz, wo wir uns auf Schaukeln setzten und einen Joint rauchten (Kategorie 37, Feuer machen). Die Weisen sagen uns, die Tora sage uns, man dürfe den Sabbat nur verletzen, um einem Juden das Leben zu retten, doch da meine neuen Antidepressiva noch keine Wirkung zeigten, nahm ich an, Gott würde mir ein paar Sabbatmorgenzüge durchgehen lassen.
    – So schlimm ist es auch wieder nicht, sagte ich zu Orli. – Wir können was draus machen.
    Sie nahm einen Zug, starrte auf ihre Sabbatschuhe und nickte.
    Es war schon zwei Uhr nachmittags vorbei, als wir wieder im Terrace Circle waren, und wir waren ordentlich stoned (Kategorie 11, backen). Die Leute hatten gerade ihr Sabbatmittagessen beendet und kamen herausgewankt, die Männer stolz ihren Blähbauch tätschelnd, die Frauen den ihrer Babys.
    – Zu welcher Synagoge geht ihr?, fragte Daniel Sowieso.
    – Zu der da, glaub ich, sagte ich. Rabbi …
    – Hecht?, meinte er.
    – Genau, sagte ich.
    – Hecht, sagte Orli.
    – Ich hasse diese Synagoge, sagte Daniels Frau. – Ihr solltet zu Rabbi Levines Synagoge gehen. Da sind sie viel cooler.
    – Rabbi Levines Synagoge? Ihr Mann war beleidigt. – Was ist denn an Rabbi Levines Synagoge so toll?
    – Nichts, sagte Daniels Frau. Das Baby, das sie auf dem Arm hatte, begann zu weinen. – Ich glaube nur, dass die ihnen besser gefallen könnte.
    – Und Rabbi Hechts Synagoge würde ihnen nicht gefallen?, fragte Daniel. – Woher willst du denn wissen, welche Synagoge ihnen gefällt? Weißt du denn, bei wem Rabbi Hecht studiert hat? Bei Rabbi Soloveitchik!
    – Na und?, schnauzte seine Frau. Das Baby kreischte.
    – Na und?, schnauzte Daniel zurück. – Na und?
    – Im jirze Ha-Schem für euch, sagte ich, worauf Orli sich vor Lachen auf dem Rasen krümmte.
    – Jirze! , schrie sie, lachte hysterisch und wälzte sich auf dem Rasen, färbte (Kategorie 15), pflügte (Kategorie 2) und erntete (Kategorie 3) mit selbstvergessener bekiffter Hingabe.
    Als wir dann in die Wohnung zurückkamen, war das Rangers-Spiel halb vorbei. Wir ließen die Jalousien herunter, schlossen die Haustür ab, erstarrten einen Augenblick, als Nachbarn auf dem Weg nach draußen stehen blieben und horchten, nahmen dann das Badetuch vom Fernseher, zogen unsere Rangers-Trikots an (ich das Heim, sie das Auswärts), setzten uns nebeneinander auf die Couch, bissen uns auf die Fingernägel und versuchten, nicht bei jedem Schlagschuss zu schreien und bei jedem Penalty zu kreischen. Es stand zwei zu zwei.
    – Müssen wir die jetzt zu uns einladen?, fragte ich.
    – Wen?
    – Die Soundsos. Daniel und seine Frau.
    – Weiß ich nicht, sagte Orli.
    – Ich glaube schon, sagte ich.
    – Wir müssen gar nichts.
    Die Rangers verdaddelten eine Powerplay-Chance und verloren den Puck zweimal in ihrem Drittel.
    – Ich glaube, wir müssen sie einladen, sagte ich.
    Eine halbe Stunde später erklang die Schlusssirene, und die Rangers hatten verloren, zwei zu vier. Ich verfluchte die Schiris, ich verfluchte die Capitals und ich verfluchte mich selbst, weil ich den Fernseher an gelassen hatte. Finster blickte ich zum Himmel hinauf.
     
    Die Rangers gewannen das fünfte Spiel, warfen die Capitals raus und mussten nun in der nächsten Woche gegen die New Jersey Devils in den Conference-Finalspielen Best-of-Seven antreten. Ich überprüfte den Kalender auf eventuelle theologische Konflikte: Das vierte Spiel war Samstagnachmittag angesetzt und das siebte, falls es eins geben sollte, auf den kommenden Freitagabend. Ich traf mit Gott die Abmachung, dass ich, sollten die Rangers die ersten drei Spiele gewinnen, den Fernseher beim vierten aus lassen würde. Sollten dagegen die Devils die ersten drei Spiele gewinnen, wollte ich den Fernseher ebenfalls aus lassen: Im schlimmsten Fall würde ich dann verpassen, wie die Rangers aus den Play-offs rausgeschmissen werden.
    Fürs siebte Spiel gab es keine Abmachung.
    Am Ende der Woche führten die Rangers in den Play-offs 2:1. Ich sah mir das Samstagsspiel an, das die Devils 3:1 gewannen. Das Montagabendspiel war noch schlimmer: 4:1 für die Devils. Ich lehnte mich auf dem Sofa zurück und sah ungläubig mit an, wie die Rangers mit gesenkten Köpfen vom Eis fuhren. Sie waren ein Spiel vom Ausscheiden entfernt. Mit so einem Gott hatte ich es zu tun, einem,
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