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Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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Monden verschwunden war. Natürlich hatte ihn jeder für tot gehalten. Es war unglaublich, dass er diese lange Zeit ohne den Schutz des Dorfes überstanden haben sollte.
    »Dort hinten sitzt er. Und erzählt Dinge, die nicht mal das dümmste Kind glauben würde.«
    »Ja? Was denn?«
    »Kannst ihm ja zuhören. Er hört gar nicht auf zu reden.«
    Bran erhob sich mühsam und mischte sich unter die Männer. Sie umringten einen Tisch, an dem wahrhaftig Siren saß, gesund und lebendig, und der aufgeregt anredete gegen die Wand aus zweifelnden oder spöttisch grinsenden Gesichtern rings um sich herum.
    »Stellt euch Wiesen vor, grün und saftig, so weit der Blick geht. Stellt euch Felder vor, jedes so groß wie unser ganzes Dorf, die herrlich blühen. Stellt euch Bäume vor, Hunderte davon, die voller süßer Früchte hängen …«
    »Märchenland!«, warf jemand ein.
    »Die Menschen dort«, rief ihm Siren entgegen, »wissen nicht einmal, was Vampire sind. Sie versammeln sich nachts unter freiem Himmel und feiern, zünden große Feuer an, um die herum sie fröhlich tanzen, lachen, singen, essen und trinken. Sie haben keine Angst vor der Nacht – sie lieben sie geradezu!«
    »Geschichten erzählen konntest du schon immer, Siren«, meinte einer und erntete zustimmendes Gelächter.
    »Ich habe das alles gesehen!«, erregte sich Siren. »Ich habe das alles gesehen, mit diesen Augen! Mit diesen Händen habe ich reife Früchte von Bäumen gepflückt, ganze Körbe voll. Mit diesen Beinen bin ich durch Felder gegangen, deren Korn mir bis zur Hüfte reichte –«
    »Wo ist dieses Land?«, fragte Bran.
    Siren sah ihn an. »Ich sagte es doch schon – jenseits der Berge. Ichhabe einen Weg über die Berge gefunden. Und ich sage euch, auf der anderen Seite liegt ein Land, das unvorstellbar schön und reich ist; ein Land, in dem es keine Vampire gibt!« Er hob hilflos die Hände. »Warum versteht mich denn keiner? Sehe ich so aus, als sei ich verrückt geworden? Ich hätte dort bleiben können. Ich hätte nicht zurückzukommen brauchen, um euch davon zu berichten. Ich hätte nicht riskieren müssen, dass die Vampire mich doch noch erwischen. Ich hätte einfach bleiben können. Ihr glaubt mir nicht, schön – aber ihr braucht mir nicht zu glauben! Ihr könnt einfach mit mir kommen, und ich zeige euch den Weg, den ich gegangen bin. Wir brauchen nicht hierzubleiben, versteht ihr? Wir brauchen uns nicht sinnlos den Vampiren zu opfern. Wir können einfach fortgehen in ein besseres Land.«
    »Vielleicht«, warf eine bedächtige, Ehrfurcht gebietende Stimme ein, »hat das alles seinen guten Grund.« Der Spott und das Gelächter erstarben. Die Männer wichen respektvoll beiseite, um den alten Gurot durchzulassen. Man machte ihm Platz, damit er sich an den Tisch setzen konnte, Siren gegenüber.
    Gespannte Stille herrschte plötzlich. Gurot legte die Heilige Schrift vor sich hin, rieb sich die Reste der Opferkräuter von den Fingerspitzen und musterte den jungen Siren aufmerksam, der unter diesen Blicken kleiner zu werden schien. Langsam sagte er: »Ich möchte dir zunächst sagen, Siren, dass ich mich freue, dass du noch am Leben bist, und dass ich dich beglückwünsche.«
    »Danke«, sagte Siren tonlos.
    »Man hat mir von deinen Erzählungen berichtet, während ich das Huldigungsopfer darbrachte«, fuhr der Alte bedächtig fort, »und ich denke, ehe du dich immer wieder und wieder wiederholst, sollten wir alles einmal gründlich bedenken und von allen Seiten betrachten.«
    Siren sagte nichts.
    »Du bist der Überzeugung, dass du uns etwas von enormer Wichtigkeit mitzuteilen hast; hat man mir das richtig überbracht?«
    »Ja.«
    »Und du wunderst dich, dass deine Schilderungen hier auf, sagen wir einmal, Skepsis stoßen. Sehe ich das recht?«
    »Genau.«
    Gurot faltete die Hände in einer Geste der Nachdenklichkeit. »Nun, Siren, ich möchte, dass du dich einen Moment in die Lage dieser Leute hier versetzt. Du bist noch jung, gerade mannbar geworden, in dir brennt noch die Hitze der Jugend und ihre Fantasie. Überdies weißt du selbst, dass du nicht eben das warst, was man ein wohlerzogenes Kind nennt; du erinnerst dich sicher selber am besten an manche Streiche, Lügen und andere Vorfälle, die man beim besten Willen nicht als Zeichen übermäßiger Zuverlässigkeit verstehen kann. Versteh mich recht, ich verurteile damit weder dich noch das, was du sagst, ich möchte im Gegenteil alles gründlich bedenken, aber ich möchte zunächst, dass du
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