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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau
Autoren: Nele Neuhaus
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Sie mir vorwerfen können, ist vielleicht unterlassene Hilfeleistung. Aber selbst damit haben Sie schlechte Karten. Karol und Kampmann waren zu allem entschlossen, ich musste also um mein eigenes Leben fürchten. Kein Staatsanwalt der Welt wird mir vorwerfen, dass ich geflüchtet bin.«
    Ihr Blick wanderte von Pia zu Bodenstein, und sie wirkte sehr selbstzufrieden.
    »Darf ich jetzt gehen?«, fragte sie. »Ich würde gerne ein Bad nehmen und frische Kleider anziehen.«
    Bodenstein starrte sie an. Er zermarterte sein Gehirn nach einer Möglichkeit, sie festzuhalten, aber ihm fiel nichts ein.
    »Das gibt's doch nicht«, sagte Pia, als Frau Jagoda den Verhörraum verlassen hatte.
    »Nicht zu fassen«, pflichtete Bodenstein ihr bei. »Aber dummerweise hat sie recht: Wir können ihr die Erpressung durch Isabel genauso wenig nachweisen wie eine Anstiftung zum Mord. Solange dieser Karol nicht wieder auftaucht, steht Aussage gegen Aussage. Und Kampmann hat schlechte Karten, weil seine Fingerabdrücke in Isabels Auto sind.«
    »Sie meinen, die Jagoda könnte ungeschoren davonkommen?«, fragte Pia empört.
    »So, wie es im Moment aussieht, ja«, Bodenstein nickte niedergeschlagen. »Mit ihrem Geld wird sie sich die besten Strafverteidiger nehmen, und dann wird es schwierig.«
     
    Susanne Kampmann saß aufrecht auf dem Stuhl und starrte hohläugig vor sich hin. Ihre zwanghaft gute Laune war verschwunden, sie hatte dunkle Schatten unter den Augen und sah krank aus.
    »Was ist am Donnerstag passiert, als Frau Jagoda bei Ihnen im Haus war?«, fragte Bodenstein und betrachtete die Frau eingehend. Hätte er nicht gewusst, wer sie war, so hätte er sie nicht mehr wiedererkannt. Sie blickte auf. Ihre Augen waren glasig und starr. Alle Illusionen, die sie sich über ihr Leben und ihre Zukunft gemacht haben mochte, lagen in Trümmern.
    »Sie kam anmarschiert und hat Robert niedergemacht wieeinen ungehorsamen Schuljungen«, sagte Frau Kampmann. »Ich bin auf sie losgegangen, sie wollte über die Terrasse flüchten, aber da wartete Karol und schlug sie nieder. Da lag sie dann, wie ein gestrandeter Wal, mit ihren Klunkern um den Hals.«
    Frau Kampmann lachte gehässig bei der Erinnerung an die Situation.
    »Robert hatte sich verdrückt, der Feigling. Karol hatte die Idee, sie zu beseitigen. Zusammen haben wir Moby Dick in die Zisterne geschleift.«
    »Was geschah dann?«
    »Am Freitag habe ich die Kinder nach der Schule zu meinen Eltern gebracht«, fuhr Frau Kampmann fort. »Als ich zurückkam, stand die Haustür offen, und die Umzugskartons stapelten sich im Pferdehänger. Da wusste ich, dass Robert abhauen wollte. Karol erzählte mir, dass Robert mit einem Pferd vor der Polizei geflüchtet sei. Wir beschlossen, die Gunst der Stunde zu nutzen, die Konten abzuräumen und das Bargeld mitzunehmen. Aber dann tauchten Sie auf.«
    »Wären Sie tatsächlich mit Karol und dem Geld verschwunden?«, fragte Bodenstein. »Was war mit Ihren Kindern und Ihrem Mann?«
    Susanne Kampmann warf Bodenstein einen düsteren Blick zu.
    »Meine Kinder waren bei meinen Eltern. Und auf meinen Mann hatte ich eine wahnsinnige Wut. Ich habe alles für ihn getan, habe immer zu ihm gehalten, fünfzehn Jahre lang. Als Dank dafür betrügt er mich mit dieser Schlampe.«
    Ihre Hände ballten sich zu Fäusten.
    »Karol sagte, wir würden eine Weile untertauchen, bis sich hier die Wogen geglättet haben«, sagte Frau Kampmann mit bitterer Stimme. »Ich hatte hier alles so satt. Jeder hat mich nur ausgenutzt. Karol hat das Auto von der Jagoda aus derReithalle geholt und meins reingestellt. Ich gab ihm das Geld und wollte noch ein paar Sachen holen. Das Nächste, an das ich mich erinnere, war, dass ich neben der Jagoda in dem Loch saß.«
    Mit einer Hand wischte sie ungeduldig die Tränen ab.
    »Er hat mich auch nur angelogen«, sagte sie mit so viel Selbstekel in der Stimme, dass Bodenstein beinahe Mitleid empfand. »Robert wollte mich nicht mehr, das hat er mir gesagt. Karol hat so getan, als würde er mich mögen. Er hatte die Arbeit im Stall satt und schon lange keine Lust mehr, bei der Jagoda den Deckhengst zu spielen. Karol war „.so aufmerksam und hilfsbereit.«
    Eine Weile herrschte Schweigen.
    »Was geschah an dem Samstag, als Isabel Kerstner starb?«, fragte Pia. »Wir wissen, dass Ihr Mann dabei war, und wir sind davon überzeugt, dass Sie darüber auch Bescheid wissen.«
    Frau Kampmann senkte den Blick.
    »Frau Jagoda sagt, Ihr Mann und Karol hätten Isabel
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