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Eine tolle Zeit

Eine tolle Zeit

Titel: Eine tolle Zeit
Autoren: Fritz Leiber
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Kostüme und Figuren, die hier auftreten, zerstören die Illusion nicht. Im Gegenteil, Diaghilew hätte die meisten auf der Stelle für das Ballett Russe engagiert, ohne zu fragen, ob sie überhaupt einen Takt halten konnten.

Letzte Woche in Babylon,
    Letzte Nacht in Rom
    Hodgson
     
2
Ein rechter Handschuh
     
    Beau war hinter die Bar getreten und unterhielt sich leise mit Doc, während sein Blick jedoch umherwanderte. Er wirkte sehr fahl und professionell in Weiß, und ich dachte – Damballa! – ich bin im französischen Viertel. Die Neue war verschwunden. Nach dem Durcheinander wegen Markus konnte sich Sid endlich um den Neuen kümmern. Er gab mir ein Zeichen, und ich machte mich, Erich im Schlepptau, näher heran.
    »Willkommen, süßer Bursche. Sidney Lessingham ist Ihr Gastgeber, ebenfalls Engländer. Geboren in King’s Lynn, 1564, in Cambridge erzogen, aber London war mein Leben und mein Tod, obwohl ich Bessie, Jimmy, Charlie und fast auch Ollie überlebte. Und was für ein Leben war das! Nacheinander Schreiber, Spion, Kuppler – diese beiden Berufe gehen Hand in Hand – unbedeutender Dichter, Bettler und ein Händler für Wiederauferstehungstrakte. Beau Lassiter, unsere Häl se sind trocken wie Stroh.«
    Beim Wort »Dichter« blickte der Neue auf, aber seltsam widerwillig, als wäre er durch einen Trick dazu gebracht worden.
    »Und um Ihren Hals fürs Trinken zu schonen, schöner Galan, bin ich jetzt so kühn und errate und beantworte eine Ihrer Fragen«, plauderte Sid weiter. »Ja, ich habe Will Shakespeare gekannt, wir waren ja eines Alters – und er war so ein bescheidener, in sich gekehrter Bursche, daß wir uns alle fragten, ob er die Stücke wirklich selbst geschrieben hat. Verzeihen Sie, aber um den Kratzer sollte man sich kümmern.«
    Da sah ich, daß die Neue gar nicht den Kopf verloren hatte, sondern in die Krankenabteilung (brr!) gegangen war, um ein Erste-Hilfe-Tablett zu holen. Sie hob einen Wattebausch an die klebrige Wange des Neuen und sagte ziemlich schrill: »Wenn ich mal …«
    Sie hatte sich einen schlechten Moment ausgesucht. Sids letzte Worte und Erichs Annäherung hatten das Gesicht des jungen Soldaten dunkelrot werden lassen, und er fegte wütend ihren Arm zur Seite, ohne sie auch nur anzuschauen. Erich drückte meinen Arm. Das Tablett polterte zu Boden – und einer der Drinks, die Beau eben herbeibrachte, wäre fast den gleichen Weg gegangen. Seit der Ankunft des Neuen Mädchens hatte sich Beau eingebildet, sie fiele in seine Verantwortung, obwohl ich mir nicht denken kann, daß sich die beiden darüber schon einig geworden waren. Beau war in diesem Punkt besonders entschlossen, weil ich gerade mit Sid dicke war und Maud mit Doc, wo sie doch schwierige Fälle liebte.
    »Ruhig, Junge, bei meiner Lieb’!« donnerte Sid, und warf Beau seinen »Stop«-Blick zu. »Sie ist nur eine Heidin, die dich trösten will. Halte deine Galle im Zaum, du schwarzer Bösewicht, vielleicht wandelt sie sich zu Poesie! Ah, da hab ich dich getroffen, ja? Gesteh’s, du bist ein Dichter.«
    Sid entgeht selten etwas, obwohl ich eine Sekunde lang meine Psychologie vergaß und mich fragte, ob er wußte, was er mit seinen Erkenntnissen anstellte.
    »Ja, ich bin Dichter, genau«, sagte der Neue laut. »Ich bin Bruce Marchant, ihr verdammten Zombies. Ich bin Dichter in einer Welt, in der sogar Zitate von König James und von deinem kostbaren Will, die du als Pointen verwendest, nicht vor dem Schleim der Schlange und den schmutzigen Beinen der Spinne sicher sind. Sie verändern unsere Geschichte, stehlen uns unsere Gewißheiten, stellen sich als verdammt allwissend und wohlwollend und tüchtig hin – und wohin führt das alles? Zu diesem verdammten SU-Handschuh!«
    Er hielt seine schwarzbehandschuhte Linke hoch, die noch immer den zweiten Handschuh hielt und schüttelte sie.
    »Was ist mit dem Spinnen-Uniform-Handschuh, mein lieber Junge?« wollte Sid wissen. »Bei unser Lieb’, sagen Sie es uns.« Und Erich lachte: »Sie können sich glücklich preisen, Kamerad . Markus und ich haben nicht einmal Handschuhe erhalten.«
    »Was damit los ist?« brüllte Bruce. »Die verdammten Dinger sind beide links!« Er schleuderte den Handschuh zu Boden.
    Wir alle brüllten los, wir konnten nicht anders. Er kehrte uns den Rücken und stampfte wild los, doch ich machte mir keine Sorgen, daß er in die Leere rennen würde. Erich drückte meinen Arm und sagte beim Luftholen: » Mein Gott, Liebchen , was habe ich dir immer
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