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Eine tolle Zeit

Eine tolle Zeit

Titel: Eine tolle Zeit
Autoren: Fritz Leiber
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sie die Couchvorhänge herabläßt, wie sie es anscheinend vorhat.«
    »Schmutziger Nazi, habe ich gesagt, und das stimmt.«
    »Genau.« Er ließ seine Absätze zusammenklicken und neigte den Kopf um einen Millimeter. »Erich Friedrich von Hohenwald, Oberleutnant in der Armee des Dritten Reiches. Gefallen bei Narwik, wo er von den Spinnen angeworben wurde. Lebenslinie verstärkt durch eine Große Veränderung nach seinem Tod und nach letztem Bericht Kommandant von Toronto, wo er ausgedehnte Babyfarmen unterhält, die ihn mit Frühstücksfleisch versorgen, wenn man den Handzetteln der Untergrund- voyageurs glauben will. Zu deinen Diensten.«
    »O Erich, das ist alles so blöd!« sagte ich, berührte seine Hand und dachte daran, daß er ja zu jenen Unglücklichen gehörte, die an einer Stelle ihrer Lebenslinie wiedererweckt worden waren, der weit vor ihrem Tod liegt – in seinem Falle, weil der Zeitpunkt seines Todes durch eine nach seiner Wiederauferstehung eintretende Große Veränderung weiter hinausgeschoben worden war. Und wie jeder Dämon feststellen muß, wenn er es sich nicht vorher schon vorstellen kann, ist es die reinste Hölle, sich an die eigene Zukunft zu erinnern, und je kürzer die Zeit zwischen der Wiedererweckung und dem Tod drüben im Kosmos ist, desto besser. Meine Zukunft, gesegnet sei Bab-ed-Din, wa ren nur aktionsreiche zehn Minuten auf der North Clark Street.
    Erich legte seine andere Hand sanft auf die meine. »Die kleinen Vorteile des Veränderungskrieges, Liebchen . Wenigstens bin ich Soldat und erhalte manchmal Einsatzbefehle für die Zukunft – obwohl ich nicht ganz begreife, warum wir diese Zwangsvorstellungen über unsere künftige Persönlichkeit drüben haben. Die mei ne ist ein dummer Oberst , dünn wie Papier – und schrecklich entrüstet über die voyageurs ! Aber es hilft mir ein wenig, ihn in der richtigen Perspektive zu sehen, und wenigstens komme ich ziemlich regelmäßig zurück in den Kosmos. Gott sei Dank damit bin ich also besser dran als ihr Gesellschafterinnen.«
    Ich sprach nicht aus, daß ein sich verändernder Kosmos schlimmer ist als keiner, aber ich sagte lieber dem Bonny Djö ein Gebet auf für meinen Vater, auf daß die Veränderungswinde die Lebenslinie Anton Forzanes nur sanft bestreichen mögen, der Professor der Physiologie gewesen war, geboren in Norwegen und begraben in Chicago. Der Woodlawn-Friedhof ist ein hübscher grauer Ort.
    »Schon gut, Erich«, sagte ich. »Bei den Gesellschafterinnen heißt es auch immer: Her mit uns! «
    Er drehte sich um und stirnrunzelte mich mißtrauisch an, als frage er sich, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte.
    »Her mit uns?« fragte er. »Was meinst du?«
    »Na, das kannst du dir doch denken. Wie ich schon sagte: Herr mit uns.«
    Ein kränkliches Lächeln dämmerte auf seinem preußischen Gesicht. Er knurrte: »Her mit uns … Herr mit uns …« und lachte leise. »Greta, ich weiß nicht, wie ich mit dir auskommen soll, wenn du wegen so billiger Lacheffekte eine große Sprache zerstückelst.«
    »Du mußt mich nehmen, wie ich bin«, sagte ich, »mit Herrn und allem, dank sei Bonny Djö …« und ich erklärte ihm hastig: »Das ist Französisch – le bon Dieu – der gute Gott – schlag mich nicht. Ich werde dir keine weiteren Geheimnisse von mir anvertrauen.«
    Er lachte schwach, als läge er im Sterben.
    »Kopf hoch«, sagte ich. »Ich werde nicht ewig hier sein, und es gibt schlimmere Orte als die Station.«
    Er nickte mürrisch und sah sich um. »Weißt du was, Greta, wenn du mir versprichst, keinen schlimmen Witz daraus zu machen: Wenn wir im Einsatz sind, rede ich mir manchmal ein, ich kann bald hinter der Bühne verschwinden, um der weltberühmten Ballerina Greta Forzane den Hof zu machen.«
    Mit der Bühne hatte er recht. Die Station ist ein richtiges Rundtheater mit der Leere als Publikum, wobei das Grau der Leere durch die Schirme, welche Krankenabteilung (brr!), Erholung und Lager abteilen, kaum beeinträchtigt wird. Zwischen den letzten beiden Sektoren liegen die Bar und die Küche und Beaus Klavier. Zwischen der Krankenabteilung und dem Sektor, wo gewöhnlich die Tür erscheint, befinden sich die Regale und Rahmen der Kunstgalerie. Der Kontrolldiwan bildet die Bühnenmitte. In angemessenem Abstand sind sechs große flache Couches darum angeordnet – von denen jetzt eine ihre Vorhänge im Grau verschwinden ließ – dazu einige kleine Tische. Das Ganze ist wie eine Ballettkulisse, und die verrückten
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