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Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Eine tödliche Erinnerung (German Edition)

Titel: Eine tödliche Erinnerung (German Edition)
Autoren: Fiona Limar
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einfach verdrängen, weil sie sie nicht ertragen konnte. Lass ihr Zeit, irgendwann werden diese Verkrustungen schon aufbrechen."
    "Ich fürchte nur, dass es während der Hypnose passieren wird und sie das dann völlig überfordern könnte. Deshalb werde ich auch erst im Neuen Jahr damit beginnen. Jetzt gehe ich in den Weihnachtsurlaub und falls es dann zu einer Krise kommen sollte, könnte ich sie nicht sofort auffangen. So eine Situation will ich vermeiden."
    "Das klingt nach einem vernünftigen Plan. Wie sieht überhaupt Melissas momentanes soziales Umfeld aus? Sie scheint ein labiler Mensch zu sein, wer kümmert sich sonst um sie?"
    "Da ist niemand, Ruth. Keine Familie, keine Freunde. Ich konnte das erst auch gar nicht glauben. Natürlich neigen Angstpatienten dazu, sich aus sozialen Kontakten zurückzuziehen. Manche vereinsamen dann regelrecht. Doch so extrem habe ich das selten erlebt."
    "Noch dazu bei einem so jungen Menschen", fügte Ruth nachdenklich hinzu. "Hat sie auch keinen Partner?"
    Ich schüttelte den Kopf. "Das ist eigentlich das Erstaunlichste, denn sie ist wunderschön und müsste sich vor Angeboten kaum retten können. Willst du einmal sehen wie sie aussieht?"
    Ruth sah mich erstaunt an. "Hast du etwa ein Foto von ihr?" Das nun gerade nicht, doch mir war inzwischen eingefallen, an wen sie mich so lebhaft erinnert hatte. Es handelte sich um keine lebende Person, sondern um ein berühmtes Gemälde. Schnell hatte ich es gegoogelt und drehte den Bildschirm so, dass Ruth es auch betrachten konnte.
    "Lucrezia Borgia", sagte sie verblüfft, "die größte Intrigantin und Giftmischerin der Weltgeschichte. Falls deine Patientin mehr als nur das Aussehen von ihr haben sollte, musst du dich in Acht nehmen. Es könnte gefährlich für dich werden."
    Noch lachten wir beide darüber.

7.
    Nun stand das Weihnachtsfest unmittelbar bevor und  die Vorfreude darauf schien alles in ein sanftes freundliches Licht zu tauchen. Morgens lagen in unserem Praxisbriefkasten liebevoll ausgewählte Weihnachtskarten für Ruth und mich. Als mir eine ältere Patientin sogar selbst gebackene Plätzchen mitbrachte, war ich von dieser Geste ehrlich gerührt. So stieg meine weihnachtliche Stimmung mit jedem Patienten, den ich an diesem Tag mit den besten Wünschen für ein Frohes Fest verabschiedete. Auf dem Weg zu meiner Wohnung ertappte ich mich dabei, dass ich leise ein Weihnachtslied vor mich hin summte.
    Mein gegenwärtiges Domizil befand sich in einem Siedlungshaus aus den dreißiger Jahren. Schüchtern duckte es sich hinter die dichten Büsche des Vorgartens, als würde es sich vor seinen protzig modernisierten Nachbarn schämen. Die Besitzerin, Frau Lehmann, war fast achtzig Jahre alt. Ihre einzige Tochter lebte mit ihrer Familie in Hamburg und hatte kein Interesse an dem Haus. Doch Sie dachte nicht daran, ihre schmale Rente für Modernisierungen einzusetzen. "Für mich reicht es so", pflegte sie zu sagen. " Und wenn ich nicht mehr da bin, kann es getrost zusammenbrechen. Das interessiert mich dann nicht mehr."
    Die obere Etage des Hauses, in der sich zwei Zimmer, eine kleine Küche und ein winziges Bad befanden, hatte lange leer gestanden. Den Ansprüchen der meisten potentiellen Mieter genügten die Räume vom Komfort her nicht. Diejenigen, die sich trotzdem dafür interessiert hatten, waren Frau Lehmann als nicht seriös genug erschienen. Für mich war diese bescheidene Wohnung ein absoluter Glücksfall gewesen. In den gefragten Stadteilen Berlins war nämlich bezahlbarer Wohnraum rar. Es hatte schon ein wenig Überredungskunst gekostet, Frau Lehmann zu bewegen, an mich zu vermieten. Doch nachdem ich mich bereit erklärt hatte, die Renovierung selbst zu übernehmen und Ruth sich außerdem für meine Zahlungsmoral verbürgt hatte, war ich schließlich als Mieterin akzeptiert worden. Entscheidend war jedoch gewesen, dass mich Brutus, der Spaniel von Frau Lehmann, sofort in sein Hundeherz geschlossen hatte.
    An jenem Tag wurde ich nicht von seinem freudigen Gebell begrüßt. In der unteren Etage waren die Fensterläden bereits fest geschlossen. Frau Lehmann war am Vormittag von ihrer Tochter abgeholt worden, um die Festtage bei ihr in Hamburg zu verbringen. Auch ich beeilte mich, meine Sachen für die Heimreise zusammenzupacken. Das Fest allein zu verbringen, schien mir eine wenig verlockende Aussicht zu sein. Ich musste an Melissa denken, der genau das bevorstand. Ihre Beteuerungen darüber ganz froh zu sein, nahm ich ihr
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