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Eine Socke voller Liebe

Eine Socke voller Liebe

Titel: Eine Socke voller Liebe
Autoren: Monika Beer
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Reisenden, für die die Zeit viel
zu langsam verging. Mehrere Rucksackträger wanderten auf dem Bahnsteig auf und
ab oder saßen vor dampfenden Kaffeetassen. Neugierig beäugten sich alle, aber
keiner sprach ein Wort.
    Als der Zug endlich einlief, sah man nur noch in strahlende
Gesichter. Für Amerikaner und Asiaten, Franzosen und Italiener, Skandinavier
und Holländer, Polen und Deutsche war der Beginn der Pilgerreise zum Greifen
nahe gerückt.
    In der Morgendämmerung machte sich die internationale Gruppe
auf den Weg vom Bahnhof in die Innenstadt von Saint Jean Pied de Port.
    Die weiß getünchten Häuser mit ihren rot und blau
gestrichenen Fensterläden leuchteten in der aufgehenden Sonne. Auf den
Fensterbänken blühten bunte Sommerblumen und hießen die Wanderer herzlich
willkommen. Ein gelber Pfeil führte sie bergauf zum Pilgerbüro der
Jakobusgesellschaft. Die Warteschlange reichte weit auf die Straße hinaus.
    Die Frauen reihten sich ein, um sich registrieren zu lassen.
Namen, Herkunft und das geplante Ziel ihrer Pilgerreise wurden festgehalten.
    „So können wir nicht verloren gehen“, sagte Andrea.
    Der ältere Mann mit dem hageren, sonnengegerbten Gesicht, der
ihnen Stempel in die Pilgerausweise drückte, fragte, wie weit sie heute gehen
oder ob sie noch einen Tag in Saint Jean verbringen wollten. Er schwärmte für
seine kleine Stadt und ermunterte sie, wenigstens noch ein paar Stunden hier zu
verweilen: „Bis Orisson lauft ihr höchstens drei Stunden. Und dort gibt es
außer der Auberge nichts. Was wollt ihr also so früh am Mittag schon dort, wenn
ihr Betten reserviert habt? Lasst euch ruhig mehr Zeit für unseren schönen Ort.
Und denkt daran, genügend Proviant mitzunehmen; denn ihr müsst erst über die
Pyrenäen, bevor ihr wieder etwas einkaufen könnt.“
    Andrea und Sabine bedankten sich für diesen gut gemeinten Rat
und bummelten über holperiges Kopfsteinpflaster bergab. Natürlich nicht, ohne
jeden Andenken- und Töpferladen zu besuchen und die handwerklichen oder
künstlerischen Arbeiten zu bestaunen.
    „Wenn ich mit dem Auto hier wäre, würde ich bestimmt den ein
oder anderen Blumenkübel mitnehmen“, meinte Andrea.
    „Das geht jetzt aber nicht. Da musst du deine Kauflust schon
mal ein wenig zügeln.“
    „Ja, das war in Paris schon so. Die Überlegung, kaufe ich das
oder nicht, erübrigt sich momentan. Ich brauche es nicht.“
    „Wir müssen nur Proviant für unterwegs kaufen“, sagte Sabine
und betrat einen kleinen Supermarkt.
    Äpfel, Baguette, Käse, Tomaten und zwei große Flaschen Wasser
verteilten sie gleichmäßig in beiden Rucksäcken.
    „Puh, das sind mindestens zwei Kilo mehr als vorher auf dem
Rücken“, stöhnte Sabine, als sie ihren Rucksack wieder aufsetzte.
    „Da müssen wir uns wohl dran gewöhnen“, erwiderte Andrea.
    Die Kirche, an der sie jetzt vorbeiliefen, hatte ihre großen
Türen einladend offen stehen. Viele Gläubige empfingen gerade den Segen des
Priesters. Der Gottesdienst war zu Ende.
    Andrea betrat das Gebäude, blieb aber im hinteren Teil
stehen. Etwas zögernd folgte Sabine ihr. Ein Gefühl der Befangenheit überkam
sie plötzlich.
    ‚Eigentlich gehörst du gar nicht hier hin‘, sagte eine innere
Stimme.
    ‚Aber ich bin doch froh, hier zu sein‘, meldete sich eine
andere. ‚Mit der Kirche hast du doch sonst nichts am Hut. Und an Gott denkst du
nur, wenn du in großer Not bist‘, meldete sich die Erste wieder.
    ‚Das stimmt, aber jetzt will ich Danke sagen. Danke für meine
Kinder Tanja und Felix, die mir immer zur Seite stehen, genauso wie Andrea.
Ohne sie alle wäre ich wahrscheinlich gar nicht hier‘, sagte die Zweite.
    ‚Du bist ganz schön egoistisch‘, stichelte die Erste weiter.
    ‚Nein, bin ich nicht! Die Kinder sind erwachsen und Markus
muss jetzt sowieso erst einmal mit sich allein fertig werden‘, verteidigte sich
die Zweite.
    Immer wieder stritten sich in ihrem Innern die
widersprüchlichsten Gefühle. Andrea schien immer genau zu wissen, was sie
wollte und was nicht. Sabine beneidete sie um ihre Sicherheit und ihr
Gottvertrauen.
    Die Kirche war leer geworden. Nur noch wenige Menschen saßen
in den Bänken. Sabine setzte sich neben die Freundin in eine Bankreihe. Andrea
sah sie lächelnd an, griff ihre Hand und drückte sie warm und fest, so als
hätte sie ihre Gedanken erraten.
    Sie verließen die Stadt bergauf durch ein altes Stadttor und
suchten die richtungsweisenden Pfeile. Aber sie fanden nur Muscheln, die
bergab,
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