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Eine Schwester zum Glück

Eine Schwester zum Glück

Titel: Eine Schwester zum Glück
Autoren: Katherine Center
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die Augen und konzentriert sich auf das, was ich zu sagen habe. Genau zwei Minuten lang. Wenn ich Glück habe.
    Ich bin ihr dankbar, dass sie das hinbekommt. Doch zwei Minuten sind natürlich bei Weitem nicht genug.
    Dafür habe ich seit meiner Heimkehr einige Freundschaften geschlossen. Ich habe mich mit einer Nachbarin angefreundet, die im Schmetterlingsmuseum arbeitet. Ich gehe zweimal die Woche mit einer Frau spazieren, die ich im Fitnessstudio kennengelernt habe. Ich fahre jeden Tag zusammen mit meiner Kollegin Mimi im Volvo zur Ar beit, und wir singen mit Willie Nelson mit, und zwar mehr stimmig. Ich bin sogar mit April auf Facebook befreundet. Sie ist wieder in Houston, arbeitet als Friseurin und geht mit einem neuen Typen aus, dessen Vorname John Wayne lautet.
    Diese Freundinnen sind alle klasse. Aber sie sind nicht Mackie.
    Ich sage mir immer wieder: Es ist gut, dass Mackie nicht meine Freundin ist. Wenn sie eine Freundin wäre, wäre sie mittlerweile verschwunden. Sie wäre zu einer jener Frauen mit Kindern geworden, die man nie zu Gesicht bekommt. Es würden Jahre vergehen, und eines Tages würden wir uns zufällig im Kino über den Weg laufen, einander übertrieben innig umarmen und sagen: »Wie geht es dir? Du siehst super aus!«
    Doch sie ist keine Freundin. Sie ist meine Schwester, und ich werde alles versuchen, sie nicht zu verlieren.
    Dixie hat mir versprochen, dass es nicht immer so sein wird. Die Babys werden größer werden und ihre Mama weniger brauchen. Dann wird Mackie zu mir zurückkommen. »Und wenn du deine eigenen Babys hast«, sagte sie auf dem Flug nach Hawaii, »zahlst du es ihr mit gleicher Münze heim.« Und wie so oft bei Dixie ließ die Art, wie sie es sagte, das Ganze okay wirken.
    Auf dem Flug erzählte Dixie mir noch etwas anderes über Mackie. Als ich im Krankenhaus nach der Geburt der Babys wie verrückt geschlafen habe, hat Mackie mich ständig besucht. Dixie sah, wie Mackie immer zwischen der Säuglingsstation und meinem Zimmer hin und her schlurfte, anderthalb Tage lang, bevor sie schließlich nach Hause fuhr und sich ein wenig Ruhe gönnte. »Du hast dauernd geschlafen«, sagte Dixie. »Und sie wollte dich nicht wecken. Aber sie zog immer einen Stuhl ans Bett, hob die Decke hoch und rieb dir die Füße mit Lotion ein.« Dixie beugte sich zu mir. »Du kannst Everett fragen, wenn du mir nicht glaubst.«
    »Everett war auch da?«
    »Sicher«, meinte Dixie. »Ein ganzes Zimmer voller Leute hat auf dich aufgepasst.«
    »Warum habt ihr mich denn nicht geweckt?«
    »Tja.« Dixie dachte nach. »Du hast Ruhe gebraucht.«
    Am Abend jener neunundneunzig Küsse halfen Everett und ich bei den Aufräumarbeiten nach der Kundgebung und saßen dann mit den Kollegen vom Denkmalschutzverein auf der Veranda eines honduranischen Restaurants – wo wir einander über dem Tisch ignorierten, darunter aber Händchen hielten.
    Dann kam er mit in meine Wohnung und wartete höflich, während ich duschen ging – länger, dampfender und optimistischer als jemals sonst in meinem Leben. Ich kann immer noch die Augen schließen und mich entsinnen, wie es war, an jenem besonderen Abend das Wasser zu spüren. Die Menschen sind so süß: Wenn wir richtig glücklich sind, können wir uns nicht vorstellen, je wieder unglücklich zu sein.
    Ich zog mich im Badezimmer an, band mir die nassen Haare nach hinten, und ich hatte es kaum nach draußen in den Flur geschafft, da hielt Everett mich auch schon in den Armen. Wir küssten uns lange Zeit an der Wand und machten uns dann auf den Weg ins Schlafzimmer. »Es ist okay, wenn ich dich so küsse«, sagte er irgendwann auf dem Weg, »stimmt’s?«
    Doch ich gab ihm keine Antwort. Ich küsste ihn nur immer weiter.
    Und dann kam mir ein Gedanke, den ich noch nie zuvor in meinem Leben empfunden hatte. Das hier ist Liebe, dachte ich. Genau das ist es.
    Er blieb die ganze Nacht. Bei mir. In meinem Bett. In seinen Anziehsachen, unter einer Tagesdecke. Er schmiegte sich ganz dreist an mich und wachte ab und zu auf, um sicherzugehen, dass ich noch da war. Ich lag stundenlang wach, während er schlief, und dachte darüber nach, wie sehr sich alles verändert hatte und wie Kummer und Freude im Leben miteinander verwoben sind. Man muss gut mit dem einen umgehen können, um auch das andere gut erleben zu können. In New York hatte ich sorgsam darauf geachtet, möglichst sämtliche traurigen Dinge zu meiden. Doch bei meiner Rückkehr nach Hause war ich, ohne es darauf angelegt zu
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