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Eine Rose im Winter

Eine Rose im Winter

Titel: Eine Rose im Winter
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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Alles, was ich von ihm hörte, ist ein wenig Gerede unter den Leuten. Und ich kann mich wohl kaum darauf verlassen, daß nur ein Wort davon wahr ist.«
    »Oh, das hab' ich auch gehört«, grinste Farrell. »Jedes kl-kleine Mädchen und jede klatschsüchtige Frau ist voll von Erzählungen über den Yankee und sein Geld. Du kannst den Glanz in ihren Augen sehen. Aber ohne es ist er kein Deut mehr wert als jeder andere. Und Er-Erfahrung? Hah! Ich habe mindestens soviel wie er.«
    »Wage nur nicht, dich über die zwei lustig zu machen, die du erwischt hast, du Tor«, gab sie gereizt zurück. »Zweifellos waren sie eher bestürzt als verletzt, und am Ende genauso dumm wie du.«
    »Dumm, ach, dumm bin ich?« Farrell war bemüht, sich aufzurichten, um seinen Zorn wider einen solchen Angriff zu zeigen; aber ein lauter Rülpser ließ seine Angriffslust zusammensinken, und er taumelte wieder gegen den Tisch. Voller Selbstmitleid stammelte er: »Lass mich in Ruhe! Du bedrängst mich in einer Stunde der Erschöpfung und Schwäche.«
    »Hah, Trunkenheit meinst du wohl!« berichtigte sie ihn mit eisiger Stimme.
    Farrell stolperte zum Stuhl und ließ sich darauf fallen. Er schloß die Augen und warf seinen Kopf auf der gepolsterten Rückenlehne hin und her. »Du stehst auf der Seite dieses Schufts; du bist gegen deinen eigenen Bruder«, stöhnte er. »Wenn Vater dich nur hören könnte!«
    Eriennes Augen blitzten vor Empörung. Mit zwei Schritten war sie vor seinem Stuhl und ergriff ihn an den Aufschlägen seines Mantels. Sie hielt den Atem an, um dem Geruch von Whisky aus seinem schlaffen Mund zu entgehen. Dann beugte sie sich über ihn.
    »Du wagst es, mich zu beschuldigen?« Sie schüttelte ihn, bis seine Augen völlig wirr hin und her rollten. »Ich will es dir, mein sauberer Bruder, einmal ganz einfach darlegen!« Sie spie ihm ihre Worte entgegen und ihr Redefluss zischte und fauchte. »Ein Fremder segelte in unsere nördlichen Breiten. Alle rissen die Augen auf, weil sein Handelsschiff so groß und mächtig war; und am dritten Tag, nachdem er im Hafen angelegt hatte«, sie zerrte Farrell in seinem Mantel hin und her, damit der die Tatsachen begriff, worum es ihr ging, »am dritten Tag beschuldigte er unseren Vater des Falschspiels. Ob wahr oder unwahr, er hatte keinen Grund, es überall herumzuschreien, so daß jeder es hören konnte. Und damit verbreitete er Schrecken unter den Kaufleuten von Mawbry und Wirkinton, bis selbst jetzt noch Vater fürchten muß, in den Schuldturm geworfen zu werden, weil er die Summe nicht aufbringen kann. Ja, ja, und wegen dieser misslichen Lage bemüht er sich, mich zu verheiraten. Der reiche Mr. Seton kümmert sich kaum um die Verheerung, die er über diese Familie gebracht hat. O ja, ich ziehe den Mann durchaus zur Verantwortung für das, was er getan hat! Aber du, mein lieber Bruder, bist genauso ein Narr, wenn du in hitziger Ableugnung und mit einer Niederlage im Zweikampf die Sache des anderen nur noch stärkst! Mit solchen Männern verhandelt man besser in ruhiger Überlegung als in jugendlichem Übermut!«
    In stummem Erstaunen ob des Angriffs seiner Schwester starrte Farrell Erienne an, und sie begriff, daß er nichts verstand von dem, was sie gesagt hatte.
    »Oh, wozu das alles!« Sie schob ihn angewidert zurück und wandte sich ab. Offenbar gab es kein einleuchtendes Argument, das ihm seine Torheiten zeigen würde.
    Farrell betrachtete sein randvolles Whiskyglas und leckte sich die Lippen. Oh, wie er wünschte, daß sie ihm das Glas reichte. »Du bist vielleicht ein paar Jahre älter als ich, Erienne.« Er war entsetzlich müde. Sein Mund war dick wie Watte, und er hatte Mühe zu sprechen. »Aber das ist kein Grund, mich auszuschimpfen, als sei ich ein Kind.« Er senkte das Kinn und murmelte mißmutig zu sich selbst: »Das – das hat er mich – ge-genannt, ein, ein … Kind.«
    Erienne ging vor dem Kamin auf und ab. Sie suchte nach einer begreiflichen Erklärung, mit der sie den Klagen ihres Bruders begegnen könne; aber plötzlich hielt sie durch einen sanften Laut gestört in ihrem Hin und Her ein. Sie drehte sich um und sah, daß Farrells Kopf auf der Brust hing. Der erste Schnarchlaut vertiefte sich, wurde schneller, regelmäßiger, und mit Schrecken wurde sie gewahr, daß sie ihren Bruder nicht rechtzeitig in sein Zimmer gebracht hatte. Augenblicklich würde Silas Chambers kommen, und unter seinem spöttischen Blick würde ihr Stolz schnell dahinschwinden. Ihre einzige
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