Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Nacht ist nicht genug

Eine Nacht ist nicht genug

Titel: Eine Nacht ist nicht genug
Autoren: Natalie Anderson
Vom Netzwerk:
ihrem Innern schmerzte und blutete. Ihm war sicher bewusst gewesen, dass er Emily wehtun würde, und er hatte es dennoch getan: Mit brutaler Offenheit hatte er verdeutlicht, wie unterschiedlich sie empfanden. Denn wenn er überhaupt Gefühle für sie hätte, wäre er nicht so kalt und grausam vorgegangen.
    Emily trat ans Fenster, aus dem er so starr geblickt hatte. Eine Sekunde später erschien Luca draußen auf dem Weg, der hinunterführte. Ein letzter verzweifelter Funke Hoffnung wurde in ihr wach: Wenn er sich umwenden und zu ihr hinaufblicken würde …
    Doch er ging weiter, ohne einen Blick zurückzuwerfen.

15. KAPITEL
    Es war warm an jenem Sommerabend, und obwohl Luca das Gefühl hatte, in der Hölle zu sein, glaubte er, nichts könne ihn wärmen. Er war gefangen in einem Albtraum, in dem ihn Vergangenheit und Gegenwart quälten.
    Seine Mutter war, zerfressen von bitterer Enttäuschung, langsam dahingesiecht, während sich der Krebs wie Gift in ihr ausgebreitet hatte. Nikki dagegen war so schnell von der Krankheit besiegt worden, dass man nichts mehr hatte tun können.
    Diese schmerzlichen Erinnerungen gaben Luca keine Ruhe. Miterleben zu müssen, wie ein geliebter Mensch litt, ihn zu verlieren – das würde er nicht noch einmal ertragen können. Als Emily nachmittags vor Schmerz zusammengezuckt war und von einer Blutung erzählt hatte, war Luca sofort von kalter Angst gepackt worden, dass auch sie ihm entrissen werden würde. Diese Angst hatte seine noch zarte Zukunftsvision von einem gemeinsamen Leben mit ihr sofort wieder zerschmettert.
    Doch dann hatte Emily es ihm erklärt. Es war keine Krankheit, kein bösartiger Krebs, der sie umbringen würde. Ganz im Gegenteil: Ihr Körper zeigte, dass er bereit war, neues Leben entstehen zu lassen.
    Diese Vorstellung erfüllte Luca mit Panik und Sehnsucht zugleich. Er würde kein zweites Mal heiraten und ganz sicher keine Kinder bekommen. Nie wieder wollte er das Risiko eingehen, Schmerz, Zurückweisung und Verlust zu erleben. Das alles hatte er zur Genüge durchlitten und sich deshalb entschieden, sein Leben ausschließlich der beruflichen Herausforderung zu widmen. Deshalb hatte er sich von Emily lösen müssen.
    Doch jetzt, als er davorstand, zu diesem Leben zurückzukehren, wurde Luca bewusst, dass er das nicht wollte. Es war ein leeres, unbefriedigendes Leben, und nicht einmal alles Geld der Welt konnte ihm das erkaufen, was er wirklich wollte. Hohes Risiko, hoher Gewinn . Emily hatte sich selbst als „sichere Wahl“ bezeichnet, aber das war sie nicht. Niemand war das. Es gab keine Antworten auf die Fragen, die Luca lähmten. Denn Emily konnte ihm nicht versprechen, dass sie nicht sterben oder ihn verlassen würde.
    Luca ging durch den weitläufigen Garten, so tief in Gedanken, dass er weder Baum noch Rasenfläche wahrnahm. Verzweifelt suchte er nach der Antwort, die er brauchte, denn unausweichlich zog es ihn immer wieder zu Emily hin. Er wollte sie, er liebte sie – ja, er musste es sich eingestehen: Er gehörte ihr, so lange, wie sie ihn wollte.
    Und genau das war die Antwort, die er gesucht hatte. Wenn Emily ihm versprach, ihn ihr Leben lang nicht zu verlassen, dann konnte er es auf sich nehmen. Denn er würde ihr dasselbe versprechen. Etwas Wahreres konnte er nicht sagen.
    Emily war so würdevoll gewesen, so voller Verständnis. Das tat ihm mehr weh, als wenn sie geweint hätte. Aber es machte ihn auch wütend: Warum hatte sie nicht um ihn gekämpft? Warum hatte sie ihn nicht angeschrien? Das hatte Luca sich insgeheim gewünscht. Er hatte gewollt, dass Emily es noch einmal klarstellte, er hatte es noch einmal von ihr hören wollen.
    Ich bin wirklich ein Egoist, dachte er. Warum, um alles in der Welt, hätte sie das tun sollen? Ihm wurde plötzlich bewusst, dass er alles von Emily gefordert, ihr im Gegenzug aber nichts gegeben hatte. Stattdessen hatte er immer wieder geleugnet, was sie ihm bedeutete.
    Er konnte sie nicht gehen lassen, ohne ihr alles zu erklären. Ob sie danach noch würde bleiben wollen, wusste er nicht. Wieder wurde Luca von heftigen Schuldgefühlen erfasst. Was er empfand, war nicht richtig, aber so war es nun einmal. Und er musste es ihr unbedingt sagen. Hoffentlich war ihr Herz groß genug, dass sie ihn auch danach noch liebte. Dieser Gedanke war das Einzige, das ihn ein wenig zu wärmen vermochte.
    Mit Mühe gelang es Emily, die Tränen zurückzuhalten, während sie packte. Die ersten Kleidungsstücke legte sie noch sorgfältig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher