Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras
Autoren: Andrzej Szczypiorski
Vom Netzwerk:
kratzen würde«, sagte David, »könnte ich in euren Truhen Tausende finden…«
    »Ich kann das nicht tun«, erwiderte Albert. »Ich werde nicht zum Plünderer an den Menschen meiner Stadt!«
    Der Bischof fiel vor Lachen fast von der Bank.
    »Vater«, sagte er, nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte, »wo steht geschrieben, daß die Menschen geneigter sind, ihre Seelen zu retten als ihr Vermögen? Die Stadt Arras geht vor die Hunde! Immer schlimmer und schwerer ist es, hier zu leben.
    Unablässig predigst du den Herrgott und seine Heiligen und teilst die Sakramente aus, während unterdessen das Vieh von der Räude zerfressen wird, die Häuser verfallen und auch nichts da ist, womit man sich kleiden und das Maul stopfen könnte. Die hiesigen Bürger fliehen in andere Länder, dorthin, wo es weniger Heiligkeit, aber dafür mehr zu essen gibt. Für die sechzig Dukaten, die ich erhalte, werde ich die Stadt anders einrichten. Ihr kennt mich, Euer Wohlgeboren, und Ihr wißt, daß ich ein guter Haushalter bin. Ihr meint, daß es den Menschen schon leichter ist, wenn Ihr sie mit dem Gotteswort auf den Lippen bedrängt. Meine Macht beruht auf etwas ganz anderem: Wenn es nottut, presse ich, und wenn es nottut, laß ich locker… In Utrecht sieht man viele lachende Gesichter, bei euch in Arras aber verziehen sich alle Münder bloß zum Gebet.«
    Albert stand von der Tafel auf und hob die Hand, und ich wußte gleich, daß er jetzt wieder eine von seinen wundervollen Phrasen von sich geben würde, mit denen er seit nunmehr zwanzig Jahren die Stadt Arras fütterte. Sinngemäß sagte er folgendes:
    »Euer Herrlichkeit, man muß vor allem die lieben, die man regiert…«
    Doch David brach von neuem in dröhnendes Gelächter aus: »Geh zum Henker, Albert! Deine Liebe können sie sich in den Hintern stecken. Nicht darum geht es, daß sie geliebt werden, sondern daß sie sich wohl fühlen. Was haben sie von deiner Liebe, wenn es ihnen schlecht geht? Mich liebt in Utrecht kaum jemand, und ich liebe niemanden, aber ich möchte zufriedene Gesichter und allgemeine Sattheit um mich sehen, nur so werde ich in Ruhe mein Leben genießen können.«
    »Euer Herrlichkeit!« rief Albert aus. »Ihr buhlt um die Gunst der Masse! Wenn sie die barbarischsten Wettspiele fordern würde, Ihr würdet ihnen auch das nicht abschlagen! Ihr lechzt nach Beifall, ich aber trage nach der Erhabenheit der Menschenherzen Verlangen.«
    »Ach, zum Teufel mit deiner Erhabenheit, Albert! Wenn sich mein Vater zu den Geboten des Herrn verhalten hätte, wie es sich gebührt, wär ich überhaupt nicht auf der Welt. Er hat mich in Sünde gezeugt, ich bin die Frucht seines Vergehens, aber das weiß ich: Ich bin in Wonnen empfangen worden, Wonnen, die das sittsame Bündnis meinem Vater nicht zu schenken vermochte. Verlangt also keine Erhabenheit der Gefühle von mir, Euer Wohlgeboren! Ich stehe den Bürgern von Arras näher, die Brot und Zerstreuungen verlangen, als dir, Vater, mit deinem ewigen Gepredige…«
    »Jeder Herrscher, der um die Seelen seiner Untergebenen ringt, ist einsam«, entgegnete Albert.
    »Du faselst ungereimtes Zeug, Wohlgeboren. Nicht jeder, sondern nur der, der es selber will.«
    Hier beugte sich Chastell, der den Fürsten nach Arras begleitet hatte, zu ihm und flüsterte:
    »Was immer auch in Arras geschehen mag, eins muß man zugeben, unser Väterchen Albert ist rein wie eine Träne.«
    »Was liegt schon an seiner Reinheit, sofern er ein Schafskopf ist!« knurrte der Bischof von Utrecht.
    Wahrlich, dieser Mensch hatte eine treffsichere Zunge.
    Wer anders als er hätte sonst vermocht, Albert so zielgerichtet einen Stoß mitten ins Herz zu versetzen?
    Angefangen hatte alles – um es einmal so zu sagen – ganz harmlos. Wer hätte gedacht, daß sich eine solche Bagatelle einst zu so grauenvollen Geschehnissen ausweiten würde!
    Einem Tuchmacher namens Gervais, den man auch den Damaszener nannte, weil er vor Jahren in Syrien gewesen war und ausgedehnte Beziehungen zu der dortigen Kaufmannschaft unterhielt, war sein Pferd verendet. In der Tat eine ziemlich merkwürdige Sache! Besonders wenn man in Betracht zieht, daß das Tier gesund und kräftig gewesen war. Zweijährig, von edler Rasse, als Reitpferd benützt und im Stall seines Besitzers mit besonderer Fürsorge umgeben. Wie ich sage, das Pferd war am Abend vorher kerngesund, und als der Herr vor dem Schlafengehen noch einmal eine Runde durch Haus und Hof machte, fiel ihm sogar auf, daß das Tier
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher