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Eine Messe für die Stadt Arras

Eine Messe für die Stadt Arras

Titel: Eine Messe für die Stadt Arras
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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wilden Stolzes und der verrücktesten Einfälle –, und ihm gegenüber ein Weiser, nur aus Wissen, Ernst und Tugendhaftigkeit gebildet. Zwei Naturgewalten, wie zwei losgelassene Kettenhunde. Ach, meine Herren, was war das für eine erlesene Unterhaltung…
    Albert bat David zu Tisch, worauf jener lospolterte:
    »Euer Wohlgeboren, ich bin nicht gewöhnt, wurzelnknabbernd Tafel zu halten…«
    Er sagte zu Albert stets »Euer Wohlgeboren«, und dieser wurde feuerrot und murmelte leise:
    »Oh, mein Fürst…«
    Natürlich war das Festmahl so, daß einem die Augen übergingen. David fraß für zehn, warf die Knochen umher und schleckte sich das Fett von den Fingern. Prüfend sah ich zu Albert, den sogleich der Appetit verlassen hatte. Bei Gott, ich wußte genau, was der Fürst tat! Er war ganz und gar nicht aus so grobem Holz geschnitzt, nicht so primitiv, wie er bei jenem Essen sich zu geben beliebte. Er wieherte vor Lachen wie ein Pferd und rülpste in einem fort, was selbst auf diejenigen keinen guten Eindruck machte, die ihm von ganzem Herzen ergeben waren. Wirklich, er übertrieb ein wenig… Aber als das Tischgespräch begann, wie brillierte da der Bischof von Utrecht!
    Man sprach über die Natur des Menschen. Albert klammerte sich wie gewöhnlich an seine barmherzigen Redensarten.
    »Mein Fürst«, sprach er, »wer ehrlichen Herzens seine Mutter liebt und zu den Tieren gütig ist, wie es der heilige Franziskus lehrte und gebot, der muß unfehlbar ein guter Mensch sein…«
    »Ach, was!« schnauzte David. »Ich hatte einen Halunken bei mir, der mir da und dort unbotmäßige Untertanen erdrosselte, mit Gift beseitigte, manchmal auf meinen Befehl jemandem das Messer zwischen die Rippen stieß… Einmal, da kommt er tränenüberströmt zu mir. ›Was ist passiert?‹, frage ich den Schurken. ›Mein Gebieter‹, antwortet er mir, ›die Mutter ist mir heut früh im Morgengrauen verstorben.‹ Er war dermaßen untröstlich, daß ich ihn – stellt Euch das vor, Euer Wohlgeboren – für ein paar Sonntage von jeglicher Arbeit befreien mußte, weil ihm die Hand zitterte und er einen Menschen hätte verstümmeln können, anstatt ihn ins Jenseits zu befördern. Was die Tiere angeht, so liebte er sie herzlich und gefühlvoll…«
    Albert rollte mit den Augen, biß sich auf die Lippen und bemerkte, daß eine Ausnahme die Regel bestätige.
    Darauf David beiläufig, daß auch er zu den Ausnahmen gehöre; denn er liebe seine Mutter innig, seine Pferde und Hunde hätschele er wie kaum jemand, und doch erfreue er sich wohl kaum des Rufes, der beste Mensch in Brabant zu sein…
    »Das ist bloß eine Laune Eurer Herrlichkeit!« rief Albert aus.
    Die halbe Nacht wälzte ich mich fast vor Lachen bei diesem Disput. Als man sich gebührend den Wanst vollgeschlagen hatte, kam der Bischof unvermittelt auf den Grund seines Besuches zu sprechen:
    »Euer Wohlgeboren«, sagte er mit gutmütigem Grinsen, »ich bin nach Arras gekommen, weil man mir berichtet hat, daß die Bürger gelangweilt und trübsinnig sind vom ständigen Fasten, den andauernden Prozessionen und dem emsigen Sichmühen um das ewige Heil. Auch mir geht es um Euer Heil; ich schwör’s bei den heiligen Wunden Christi, daß ich an nichts anderes denke und daß mir nichts so sehr Verdruß bereitet wie der Verfall der guten Sitten. Aber es ist nun einmal so, daß die Brabanter Kopfsteuer am Versiegen ist; mein königlicher Vater zürnt ingrimmig, weil die Einkünfte aus den nördlichen Städten erbärmlich sind. Der Handel bei uns ist wie eine kurzatmige Stute; die Stadtmauern sind brüchig, seit der englischen Bedrängnis hat niemand mehr Hand an sie gelegt; auf den Landstraßen treiben sich überall Räubergesindel und Büßervolk herum, so daß für Kaufleute kein Platz mehr bleibt… Sicher wär ich froh, wenn ich der Stadt Arras den Himmel geneigt machen könnte, aber laß nicht außer acht, Euer Wohlgeboren, wovon uns das täglich Brot zu essen kommt. Seele ist Seele, aber auch der Leib muß seine Brosamen haben.«
    »Euer Herrlichkeit…!« schrie Albert auf, doch der Bischof unterbrach ihn mit einer Handbewegung und setzte seine Rede fort, wenn auch schon in einem weniger gutmütigen Ton:
    »Ehrbares Paterlein, wir beide kennen uns wie zwei kahle Pferde. Du, Wohlgeboren, rette die Menschenseelen, aber in zwei Sonntagen zahlst du meinen Steuereinnehmern sechzig Dukaten!«
    Albert flatterten die Hände. »Soviel Geld!« rief er verzweifelt.
    »Wenn ich ein bißchen
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