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Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)

Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)

Titel: Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)
Autoren: Martin Johannson
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Skistöcken noch extra Beschleunigung. Das war doch sonst nicht Lukas' Art!
    In diesem Moment tauchte Simon in den Schatten des Berges ein. Zu dieser Jahreszeit schaffte es die Sonne nur mit Mühe, über die Bergspitzen zu steigen, und erhellte somit nur den oberen Teil der Piste. Der Rest lag im ewigen Schatten. Der Schnee war dadurch kälter als anderswo, so dass Simon Neumayers Skier noch mehr Fahrt bekamen.
Zum Glück war er allein am Hang, denn ungeschickte Touristen, die vor seinen Füßen durch den Schnee rutschten, über ihre eigenen Ski stolperten oder gegen Bäume oder andere Hindernisse rasten, so dass er womöglich den Bergrettungsdienst rufen musste, konnte er hier gar nicht gebrauchen. Diese Piste war noch immer nicht in den Wander- und Skiführern aufgetaucht, was bedeutete, dass sich kaum ein Fremder hierher verirrte. Das hatte, wie alles im Leben, zwei Seiten. Zum einen war das äußert schlecht fürs Geschäft, so dass Simon Neumayer das Fehlen der Piste in den vergangenen Jahren schon mehrmals beim Tourismusbüro beanstandet und auch schon Verlage, die Skiführer herausgaben, angeschrieben hatte. Doch auf der anderen Seite war er gelegentlich froh darüber, denn es brachte ihm ungestörten Skigenuss; wie in diesem Moment begrüßte er oft die Einsamkeit. Wenn er vor seiner Abfahrt vergessen hatte, die Toilette aufzusuchen, konnte er so ungestört Kunstwerke in blassgelb in den Schnee malen – ebenfalls ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Und wenn er gut geschlafen hatte und dann laut seine Freude darüber in die Stille des Winters juchzte, dann musste das auch nicht unbedingt jeder hören. Aber vor allem in diesen Minuten, in denen sein Gehirn fieberhaft arbeitete und nach der Lösung eines Rätsels suchte, dann schätzte er Einsamkeit am meisten. Denn noch immer drehten sich seine Gedanken um die eine Frage: Wo war Lukas Petzold?
    An einem Aussichtspunkt angekommen, machte er einen energischen Stemmbogen, so dass er sofort zum Stehen kam. Simon Neumayer blickte zurück, den Hang hinauf. Das Weiß des Schnees blendete ihn, sogar durch die getönten Gläser seiner Skibrille. Er kniff die Augen zusammen, doch außer seiner eigenen Spur im frischen Schnee konnte er nichts entdecken. Kein roter Anorak über dem weißen Skianzug, wie ihn Lukas Petzold gern trug, leuchtete auf der weißen Piste. Nichts.
    Auf einmal lauschte Simon Neumayer angestrengt nach unten. Er glaubte, ein Klingeln gehört zu haben. Doch in der Ferne vernahm er jetzt nur das Summen des Skilifts und den sanften Wind in den Kiefern im Tal. Kein weiteres Klingeln. Es musste eine akustische Täuschung gewesen sein.
    Doch plötzlich war es wieder da, dieses Mal etwas lauter, vom Wind in den Berg getragen. Das feine Läuten der Glocken der Pferdeschlitten. Er hatte sich also doch nicht getäuscht. Sie kamen.
Simon Neumayer nahm die Skistöcke wieder auf und schob sich kräftig an. Wo auch immer Lukas steckte, er musste die Suche vorerst einstellen. Jetzt musste er sich beeilen, um noch rechtzeitig am Hotel einzutreffen.
    Als Simon das Hotel erreichte, stellte er die Ski in einen kleinen hölzernen Schuppen, der neben dem Hauptgebäude klebte und als Unterbringung für Schlitten und anderes Wintersportgerät diente. Neben ein paar alten Leihski standen die neuen, gut gewachsten Ski von Lukas unbenutzt an der Bretterwand. Also war er gar nicht auf der Piste. Er war offenbar im Hotel.
Simon Neumayer atmete auf und stellte seine Ski daneben ab. Dann ging er eiligen Schrittes zum Hotel hinüber.
    Das Gebäude bestand aus zwei Etagen, wobei sich im unteren Stockwerk Diele, Salon, Küche und seine privaten Wohnräume befanden, im ersten Stock und unterm Dach waren die Gästezimmer. Ungefähr fünfundzwanzig Personen konnte er beherbergen, und heute war das Hotel komplett ausgebucht.
Simon Neumayer lauschte noch einmal in den Wintertag hinaus, bevor er das Haus betrat. Das Klingeln der Schlittenglöckchen war inzwischen ganz nah. Er hatte nur noch wenige Minuten, um sich umzuziehen und die Gäste in Empfang zu nehmen.
    Von der Diele, einem großen holzgetäfelten Raum mit einem riesigen Spiegel und einer geräumigen Garderobe, führte eine Treppe in die obere Etage des Hauses und zum Dachgeschoss, wo sich die Luxussuite befand. Auf der linken Seite der Diele ging es in die dampfende Küche, wo der Koch Karl-Konrad Kurz, meist einfach Kalle genannt, schon alles für das große Festmahl in wenigen Stunden vorbereitete. Es roch verlockend nach
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