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Eine Kerze für Sarah - und andere Geschichten, die das Herz berühren

Eine Kerze für Sarah - und andere Geschichten, die das Herz berühren

Titel: Eine Kerze für Sarah - und andere Geschichten, die das Herz berühren
Autoren: Gerth Medien GmbH
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wünschte, ich könnte ein solcher Bruder sein.
    Ron Mehl
    Einfach da sein
    Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, als meine Jungen aufwuchsen und immer mal wieder einer von ihnen traurig war, sich Sorgen machte oder eine große Enttäuschung erlebt hatte. Dann ging ich abends, nachdem er zu Bett gegangen war, einfach in sein Zimmer und legte mich neben ihn auf sein Bett. Es ist zwar schön, wenn einem in solchen Augenblicken kluge väterliche Worte einfallen, aber so war es nicht immer. Es reichte schon, einfach neben meinem Jungen zu liegen und für ihn da zu sein.
    Ron Mehl
    Eine Kerze für Sarah
    Wie gewöhnlich spürte Helen Roberts, dass Sarah Duffey ihre Aufmerksamkeit wollte, noch bevor sie sich bemerkbar machte. Aber gerade hatte Peter seinen linken Stiefel an den rechten Fuß gezogen, stolzierte damit im Raum herum und lenkte die anderen Kinder der vierten Klasse von ihrer Aufgabe ab, ihre Mäntel und Stiefel anzuziehen.
    Helen gab sich die größte Mühe, nicht die Geduld zu verlieren. Unter allen Umständen sollte die Atmosphäre auch in den letzten zwei Minuten vor den Weihnachtsferien fröhlich bleiben. Allerdings konnte sie es kaum erwarten, nach Hause zu ihrer Familie zu kommen.
    Peter blickte sie spitzbübisch an, trat heftig mit dem Fuß auf und schleuderte den Stiefel gefährlich dicht an einer Fensterscheibe vorbei. Das Beinah-Unglück wirkte sich ernüchternd auf den Rest der Kinder aus und Helen wandte sich dem kleinen Mädchen zu, das in der Nähe ihres Pultes wartete.
    Sarah, eines der sehr frühreifen Kinder in ihrer Klasse, war ihr praktisch von Anfang an besonders aufgefallen. Sarahs Kleider waren immer schmutzig und fleckig, ihr Haar immer fettig und ungekämmt, ihre schäbigen Schuhe viel zu groß für ihre Füße und ganz offensichtlich aus zweiter Hand.
    Mehr als einmal hatte Helen über Fred Duffey nachgedacht. Sie wusste, dass er sein Geld mit dem Ausmisten von Pferdeställen verdiente und deshalb von Rennbahn zu Rennbahn zog, dorthin, wo seine Arbeit gerade benötigt wurde. Seine vernachlässigte und offensichtlich ungeliebte kleine Tochter schleppte er dabei immer mit.
    „Was ist, Sarah?“, fragte Helen. Sie gab sich Mühe, nicht daran zu denken, wie das Weihnachtsfest des Kindes wohl aussehen würde.
    „Mein Vater hat mir einen Zettel für Sie mitgegeben. Ich habe leider vergessen, ihn Ihnen früher zu geben.“
    Helen strich das zerknüllte Stück Papier glatt und las die mit Bleistift geschriebene Notiz: „Ich werde zwei Wochen fort sein. Da Ferien sind, ist meine Tochter deshalb auf sich selbst gestellt. Können Sie sie heute nach der Schule zum Kinderheim bringen – es ist zu weit entfernt. Sie kann die Strecke nicht zu Fuß zurücklegen, außerdem hat sie ihre Stiefel verloren.“
    „Weißt du, was hier steht?“, fragte Helen.
    Vollkommen ungerührt nickte Sarah.
    „Bist du schon mal in diesem Heim gewesen?“
    Wieder nickte das Kind. „Wenn Sie mich an der Ecke bei dem Denkmal absetzen, gehe ich den Rest des Weges zu Fuß.“
    Der Raum hatte sich mittlerweile geleert. Nur noch das Mädchen und ihre Lehrerin befanden sich darin. Als Sarah nun begann, ihre Stifte einzusammeln, erhob sich Helen und starrte auf ihr Pult. Hatte Fred Duffey wohl vorausgesehen, wie sie auf die traurige Situation seiner Tochter reagieren würde? Oder dachte er tatsächlich, sie als Lehrerin könnte sein Kind ein paar Tage vor Weihnachten einfach in einem Kinderheim abgeben?
    Doch dann überdachte sie die eigentlichen Fragen. Konnte sie es wagen, Sarah zwei Wochen lang in die enge Gemeinschaft ihrer Familie aufzunehmen? Was würden ihre Kinder davon halten, einen schmutzigen, schweigsamen Eindringling in der schönsten Zeit des Jahres im Haus zu haben? Was würde Wallace sagen, wenn sie Sarah mit nach Hause brachte? Was würde er sagen, wenn sie es nicht tat?
    Mit einem Knall schob sie die Schublade an ihrem Pult zu und lächelte Sarah an. „Wie würde es dir gefallen, Weihnachten gemeinsam mit mir und meiner Familie zu verbringen?“
    Sarah bückte sich, um einen Buntstift aufzuheben. Helen konnte ihr Gesicht nicht sehen, aber ihre Stimme klang gelangweilt wie immer. „Eins ist wie das andere. Ich könnte von dem Denkmal aus laufen.“
    Helen versuchte es erneut. Diesmal scheute sie vor einer Lüge nicht zurück. „Wir würden dich gern bei uns haben, Sarah. Ich denke, du würdest viel Spaß mit Susan und Mike haben. Sie sind zwar ein wenig älter als du, aber ihr könntet sicher
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