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Eine Insel

Eine Insel

Titel: Eine Insel
Autoren: Terry Pratchett
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verhallende Stimme: »
Gut!
« Oder sie bildete es sich vielleicht auch nur ein. Das Leben wird ziemlich kompliziert, wenn man zu viel darüber nachdenkt.
    Der König hatte den Zimmermann von der
Cutty Wren
gebeten, beim Bau des neuen Gebäudes zu helfen, mit dem der Zimmermeister seines Schoners bereits begonnen hatte. Und schon bald hatten beide Besatzungen, weil es den Leuten unangenehm war, einem König mit hochgekrempelten Ärmeln zuzusehen, ebenfalls ihre Ärmel hochgekrempelt. Aus dem Rest der Judy war eine weitere Langhütte entstanden sowie ein großer Haufen aus nützlichen Dingen. Und natürlich die
Sweet Judy
selbst. Sie war ein unerwarteter Fund gewesen.
    Der Bug des Schiffes hatte sich zwischen zwei riesigen Feigenbäumen verkeilt, wo sich auch unsichtbar und unbeschadet die Galionsfigur verklemmt hatte, während das Schiff hinter ihr zusammengebrochen war.
    Einige Seemänner hatte die Galionsfigur über die Tür genagelt, unter dem Beifall aller bis auf den König, der laut überlegte, ob ihr unbekleideter Busen nicht als unanständig betrachtet werden könnte. Er hatte nicht verstanden, warum alle lachten, aber es hatte ihn gefreut. Es war eine kleine Entschädigung für Meer und mehr gewesen.
    Nun blickte Daphne zum letzten Mal zu ihr auf. Um die hölzernen Lippen spielte ein leichtes Lächeln, und jemand hatte ihr eine Blumengirlande um den Hals gelegt.
    Daphne machte vor ihr einen Knicks, denn wenn sich irgendein nicht lebendes Wesen größten Respekt verdient hatte, dann die Judy. Vor Jahren hatte sie schon gelernt, wie man knickste, doch auf der Insel war diese Fertigkeit noch unnützer gewesen als Schlittschuhlaufen. Aber in diesem Moment war es genau das Richtige.
    Ein Boot wartete am Rand der Lagune. Und das schon seit längerem. Irgendwann hatte sich die Menge zerstreut, da man nur begrenzte Zeit winken und rufen konnte, wenn etwas gar nicht in Eile war, sich in Bewegung zu setzen, worauf sich früher oder später eine gewisse Langeweile einstellen musste. Auf jeden Fall hatte Cahle die Inselbewohner taktvoll und gleichzeitig auch wieder nicht besonders taktvoll gedrängt, zu den Feldern zurückzukehren. Sie wusste, wann jemand mehr Raum für sich brauchte. Außerdem hatte Daphne sich schon gestern beim großen Festmahl von allen verabschiedet. Und der König war der einzige Hosenmann gewesen, der die Tätowierung der Sonnenuntergangswelle bekam, und alle hatten gelacht und geweint. Erst vor wenigen Stunden hatten die Hüter des Letzten Ausweges den König zum Schiff zurückgetragen, weil er »ein wenig unter dem Wetter« litt, womit in Wirklichkeit »zu viel Bier« gemeint war.
    Und nun, abgesehen von einem Hund, der sich in der Sonne wärmte, schien sie hier ganz allein zu sein. Doch sie hätte alles darauf verwettet, dass Hunderte von Augen sie von den Feldern beobachteten.
    Sie blickte zum Strand. Dort lag das wartende Boot, und ein Stück entfernt stand Mau, wo er immer stand, mit seinem Speer. Er schaute auf, als sie sich näherte, und zeigte sein mattes Halblächeln, das er immer aufsetzte, wenn er unsicher war.
    »Alle anderen sind schon an Bord«, sagte er. »Ich werde wiederkommen«, sagte Daphne.
    Mau malte mit dem Speer Kringel in den Sand. »Ja, ich weiß«, sagte er.
    »Nein, ich meine es ernst.«
    »Ja. Ich weiß.«
    »Du klingst, als würdest du mir nicht glauben.«
    »Ich glaube dir. Aber du klingst, als würdest du dir selbst nicht glauben.«
    Daphne senkte den Blick. »Ja, ich weiß«, sagte sie mit niedergeschlagenen Augen. »Vater will Großmutter als unsere Botschafterin in die Wiedervereinigten Staaten schicken, nachdem sie sich jetzt wieder besser fühlt. Sie hat begriffen, dass sie dann all die hochnäsigen Bostoner herumkommandieren kann, und bemüht sich, ihre Begeisterung nicht allzu offen zu zeigen. Und dann hat er sonst niemanden mehr… natürlich abgesehen von vielen Höflingen, dem Regierungskabinett und den Beamten des Empires, aber sie erleben ihn nicht als Menschen, verstehst du, sondern nur als Gesicht unter einer Krone. Ach, es ist alles ganz fürchterlich! Aber Vater braucht mich.«
    »Ja«, sagte Mau.
    Daphne blickte ihn finster an. Es war dumm, so zu denken, aber sie wollte, dass er ihr widersprach… oder protestierte… oder wenigstens irgendwie… enttäuscht war. Es war schwierig, mit jemandem zu reden, der für alles Verständnis hatte, also gab sie auf, und erst da bemerkte sie seinen Arm.
    »Was ist denn mit dir passiert?«, fragte sie. »Das
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