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Eine Idee des Doctor Ox

Eine Idee des Doctor Ox

Titel: Eine Idee des Doctor Ox
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Das ist nun einmal nicht anders, Niklausse, tröstete der würdige Bürgermeister; es giebt nichts so Unlogisches als widrige
     Naturereignisse. Sie stehen in keiner Beziehung zu einander, und man kann nicht das eine benutzen, um den Schaden, den das
     andere anrichtet, zu verringern, wenn man das auch möchte.«
    Es erforderte einige Zeit, bis Rath Niklausse diese seine Beobachtung seines Freundes gehörig verstanden und gewürdigt hatte.
    »Nun? begann er kurze Zeit darauf, wir haben noch nicht unsere wichtigste Tagesfrage abgehandelt!
    – Was für eine wichtige Tagesfrage? Haben wir denn eine wichtige Tagesfrage?
    – Allerdings, Tricasse, es handelt sich um die Beleuchtung der Stadt.
    – Ach richtig, nun fällt's mir ein, Sie meinen das Beleuchtungswerk des Doctor Ox.
    – Gewiß.
    – Nun, die Sache geht ihren Gang, Niklausse, erklärte der Bürgermeister. Man macht sich schon an die Röhrenlegung, und die
     Anstalt ist vollständig fertig.
    – Wir haben uns doch vielleicht bei dieser Geschichte etwas übereilt, meinte der Rath kopfschüttelnd.
    – Vielleicht, gab der Bürgermeister zu; aber zu unserer Entschuldigung sei es gesagt, der Doctor Ox bestreitet den ganzen
     Kostenaufwand seines Versuchs. Die Sache wird uns keinen Heller kosten.
    – Das ist freilich eine sehr triftige Entschuldigung; auch muß man doch mit seiner Zeit fortschreiten, und wenn der Versuch
     gelingt, ist Quiquendone die erste Stadt in ganz Flandern, die mitdiesem Gas erleuchtet wird. Wie nennt er es doch? Oxy ...
    – Oxyhydrogengas.
    – Also Oxyhydrogengas.«
    In diesem Augenblick wurde die Thüre geöffnet, und Lotchè verkündete dem Bürgermeister, daß das Abendessen aufgetragen sei.
    Rath Niklausse stand auf, um sich von Tricasse zu verabschieden, denn er setzte voraus, daß so viele wichtige Entschließungen
     ihm Appetit gemacht hätten. Man kam überein, daß der Rath der Notabeln zu einem ziemlich entfernten Zeitpunkt versammelt werden
     sollte, um zu entscheiden, ob in Bezug auf die ziemlich dringliche Thurmfrage eine Entscheidung zu treffen sei.
    Die beiden würdigen Rathsherren steuerten nun auf die Hausthüre zu, indem der eine den anderen geleitete. Als Niklausse an
     die letzte Treppenstufe gekommen war, zündete er eine kleine Laterne an, die ihm durch die dunkeln Gassen Quiquendone's leuchten
     sollte, denn noch waren sie ja nicht durch die Beleuchtung des Doctor Ox erhellt. Die Nacht war tiefdunkel, man befand sich
     im Monat October, und ein leichter Nebel breitete sich über die Stadt.
    Die Zurüstungen zum Fortgange des Raths Niklausse nahmen eine gute Viertelstunde Zeit für sich in Anspruch, denn nachdem er
     die erwähnte Laterne angezündet hatte, mußte er seine großen ledernen Galoschen und die Fausthandschuhe aus Schafsfell anziehen.
     Demnächst klappte er den Pelzkragen seines Ueberziehers in die Höhe, drückte seinen Filzhut über die Augen, bewaffnete sich
     mit dem schweren Regenschirm, den eine schnabelförmige Krücke zierte, und war jetzt bereit, das Haus zu verlassen.In demselben Augenblick aber, als Lotchè, die den beiden Herren geleuchtet hatte, den Riegel an der Hausthüre zurückschieben
     wollte, ließ sich von außen ein heftiger Lärm vernehmen. So unglaublich dies scheinen mag, es war Lärm, wirklicher Lärm, wie
     ihn die Stadt wohl seit der Eroberung des Schloßthurms durch die Spanier im Jahre 1513 nicht gehört hatte. Ein furchtbares
     Geräusch weckte das in tiefen Schlummer versunkene Echo des alten Bürgermeisterhauses. Diese Thüre, die seit undenklichen
     Zeiten durch kein lautes Klopfen entweiht war, erdröhnte unter den brutalen Schlägen eines von kräftiger Hand geführten Knotenstocks,
     und Geschrei und Rufen ließ sich unmittelbar vor dem Hause hören.
    »Herr van Tricasse! Herr Bürgermeister! öffnen Sie, öffnen Sie schnell!« tönte es verworren herein.
    Bürgermeister und Rath sahen einander consternirt an, ohne vor Bestürzung ein Wort hervorbringen zu können; das ging über
     ihre Fassungskraft. Wäre die alte Feldschlange des Schlosses, die seit 1385 nicht mehr in Thätigkeit gewesen war, plötzlich
     im Saale abgefeuert worden, die Bewohner des Hauses van Tricasse hätten nicht mehr »wie auf den Mund geschlagen« dastehen
     können, als in diesem Augenblick. Möge man die Trivialität dieses Ausdrucks entschuldigen, aber das Bezeichnende des Worts
     brachte mich über die Scrupel der Wahl hinaus.
    Inzwischen verdoppelten sich die Schläge, das Schreien und
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