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Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Autoren: Victoria Hislop
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festgelegt, dass ihm das Haus in der Sokratesstraße zufiel.
    Der Notar blickte über seine Brille hinweg, um ihre Reaktion einzuschätzen. Es war nicht ungewöhnlich, dass ein Mann seinen Besitz einem männlichen Verwandten hinterließ, wenn er keinen leiblichen Erben hatte, dennoch fand er es ein bisschen hart, dass die junge Frau aus ihrem Haus vertrieben wurde.
    Sie wirkte allerdings völlig gelassen, was er sehr würdevoll fand.
    Â»Ah«, sagte er. »Da ist noch etwas.«
    Er lächelte sie an wie ein Kind, das man aufmuntern wollte.
    Â»Er hat festgelegt, dass sein Neffe Ihnen eine jährliche Rente zahlen soll, die sich am Lohn einer Halbtagsnäherin orientiert.«
    Katerina hatte das überwältigende Bedürfnis, angesichts dieser Demonstration kleinlicher Knauserei laut aufzulachen, aber sie musste sich beherrschen vor diesem aufgeblasenen Mann, der sie über seinen Schreibtisch hinweg anstarrte.
    Â»Danke«, sagte sie. »Aber das werde ich nicht in Anspruch nehmen. Wie lange darf ich noch im Haus bleiben?«
    Â»Einen Monat vom Zeitpunkt des Todes Ihres Gatten an gerechnet«, antwortete er und blickte auf das Dokument hinab.
    Â»Gut«, sagte sie. »Ich ziehe noch vor Ende der Woche aus.«
    Er war fasziniert von dieser Frau, der es nichts auszumachen schien, dass sie so schäbig behandelt worden war.
    Â»Ich glaube, ich muss eine sehr unzulängliche Ehefrau gewesen sein«, erklärte sie, weil sie seine Neugier spürte. »Aber er war auch ein sehr unzulänglicher Ehemann.«
    Damit stand sie auf und verließ den Raum. Am Ende des Tages war ihr Koffer gepackt und das Haus in der Sokratesstraße abgesperrt. Außer ein paar Kleidern hatte sie nur den Quilt und ihre Singer-Nähmaschine mitgenommen. Das war alles, was sie brauchte. Mit beschwingtem Schritt ging sie zur Hauptstraße und nahm sich ein Taxi in die Irinistraße, wo Eugenia auf sie wartete.
    Ihr Bauch begann sich allmählich zu runden, aber die Übelkeit hatte nachgelassen, und sie fühlte sich glücklicher und vitaler als je zuvor.
    Â»Ich wünschte, ich könnte etwas Farbiges anziehen«, sagte sie zu Eugenia. Die Trauerkleider fühlten sich steif und leblos an auf ihrer Haut.
    Â»Ich finde, du solltest sie noch eine Weile anbehalten«, riet ihr Eugenia. »Sonst würde es überhastet aussehen.«
    Eugenia hatte recht. In einer so konservativen Stadt war es wichtig, sich deutlich erkennbar als Witwe zu zeigen. Auf die Weise würden keine Fragen über die Vaterschaft des Kindes aufkommen.
    Die letzten Monate ihrer Schwangerschaft verbrachte Katerina mit der Herstellung der Babyausstattung. Alles wurde mit der Hand genäht und mit Monogrammen bestickt.
    Wenn sie allein war, sang sie ihrem ungeborenen Baby vor, und aufgrund ihres Zustands gewannen die Worte ihres Lieblingslieds eine ganz neue Bedeutung.
    Wach auf, mein Kleines, und lausch
    Den klagenden Tönen des anbrechenden Tages.
    Denn die Musik ist aus Tränen geboren,
    Und kommt tief aus der Seele.
    Als die Leute ihren zunehmenden Leibesumfang registrierten, nahmen Sympathie und Anteilnahme für sie zu.
    Â»Was für eine Tragödie«, sagten sie mitfühlend, »eine schwangere Witwe zu sein.«
    In den letzten Wochen vor der Geburt saß sie stundenlang mit Eugenia vor der Tür und genoss die Wärme der Herbstsonne in der stillen Straße. Zu ihren Füßen stand ein Korb mit bunten Baumwollstoffen und Abschnitten von Bändern und Spitze. Beide Frauen waren entschlossen, zum Termin alles fertig zu haben.
    Katerina legte ihre Stickarbeit in den Schoß, schloss die Augen und hob das Gesicht in die Sonne.
    Â»Ich glaube, es ist bald so weit«, sagte sie.
    Am folgenden Tag, dem 5 . September 1950 , wurde ihr Sohn geboren. Sie nannte ihn Theodoris – »Gottesgeschenk«.

28
    K aterina war überglücklich, weil sie wusste, dass der Vater dieses hübschen Knaben mit dem seidigen Haar der Mann war, den sie liebte. Pavlina verschlug es schier den Atem, als sie ihn sah.
    Â»Er ist das genaue Ebenbild seines Vaters«, sagte sie. »Genauso hat Dimitri ausgesehen, als er zur Welt kam!«
    Während der vorgeschriebenen vierzig Tage, die sie zu Hause mit ihrem Neugeborenen verbrachte, kamen einige der modistras aus dem Atelier zu Besuch, um das Kind zu bewun dern und ihre selbst gemachten Geschenke zu überreichen.
    Â»Wirklich schade«, sagten
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