Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Eine Geschichte von Liebe und Feuer

Titel: Eine Geschichte von Liebe und Feuer
Autoren: Victoria Hislop
Vom Netzwerk:
Hass seines Vaters gespürt und gesehen, wie sich Landsleute gegeneinander erhoben. Er hatte erlebt, wie ein Land im Bürgerkrieg versank, doch all das wurde bedeutungslos im Moment ihrer Umarmung.
    Auch Katerina war lange mit sich selbst im Unreinen gewesen. Von dem Augenblick an, als sie die Liste unschuldiger Männer entdeckte, die Gourgouris verraten hatte, befand sich ihr Inneres in Aufruhr. Doch als sie spürte, wie Dimitris Finger zart über die Narben auf ihrem Arm fuhren, war sie überzeugt, dass er sie liebte, und ein Gefühl des Friedens breitete sich in ihr aus.
    Das war ihr Moment, ihre Stunde, auf die sie beide so lange gewartet hatten, und sie ließen sie nicht ungenutzt verstreichen. Es gab keinen Grund mehr, sich diesem Verlangen zu verweigern.
    Eine Stunde verging, während Pavlina zwei Stockwerke tiefer Essen für Dimitri einpackte.
    Olga wusste, dass Katerina ihren Sohn liebte, und nachdem sie die beiden zusammen gesehen hatte, war sie sicher, dass Dimitri genauso empfand. Da er in absehbarer Zukunft nicht zurückkommen könnte, sollten sie ihre Liebe wenigstens eine Weile ungestört genießen.
    Â»Er ist so dünn geworden«, sagte Pavlina. »Hoffentlich kriegt er genügend zu essen, wo immer er auch hingeht!«
    Â»Er hat sicher schon jahrelang nicht mehr genug bekommen«, antwortete Olga. »Aber halb Griechenland geht’s ja nicht anders.«
    Sie sah Pavlina zu, die einen Karton bis zum Rand mit Käse, gefüllten Weinblättern, Törtchen und getrockneten Früchten bepackte.
    Â»Bist du sicher, dass er das alles tragen kann?«, fragte Olga lachend.
    Schließlich kam Dimitri mit Katerina an der Hand die Treppe herunter. Mit seiner schlanken Figur und einer alten Schultasche voller Bücher über der Schulter sah er aus wie ein junger Student.
    Â»Dimitri!«, sagte Olga mit belegter Stimme. »Gehst du schon?«
    Das Abschiednehmen wurde nicht leichter, trotz der Übung, die sie inzwischen darin hatten.
    Â»Ja, ich muss. Keiner, der in der Demokratischen Armee gekämpft hat, ist sicher, aber ich verspreche, mich wieder zu melden. So gern ich auch hierbleiben würde …«
    Â»Ich weiß nicht, was wir wegen deines Vaters tun sollen«, sagte Olga.
    Â»Ich auch nicht«, erwiderte Dimitri. »Ich auch nicht.«
    Beide wussten, dass sich Dimitris gefährlichster Feind in der eigenen Familie befand, im eigenen Haus.
    Pavlina und Katerina traten zur Seite, als Mutter und Sohn sich ein letztes Mal umarmten. Dimitri nahm den braunen Karton, den Pavlina mit einer Schnur verschlossen hatte, küsste beide Frauen auf die Stirn und wandte sich zur Tür. Er durfte seinen Abschied nicht länger hinauszögern.
    Pavlina öffnete die Tür und blickte in beide Richtungen, ob die Luft rein war. »Niemand zu sehen«, erklärte sie.
    Ohne sich noch einmal umzusehen, ging Dimitri fort. Zwei Minuten später machte sich Katerina in die entgegengesetzte Richtung auf. Es war Zeit, fürs Abendessen einzukaufen.
    Heute Abend wollte sie Eier-Zitronen-Suppe, gebratene Auberginen mit Feta, Lammschlegel mit Bohnen und Walnusskuchen mit Sirup machen. Danach würde es loukoumi geben, eine sehr reichhaltige griechische Süßspeise.
    Seit Monaten hatte sie beobachtet, wie der Leibesumfang ihres Gatten zunahm. Abgesehen von ihrer Stickerei bestand ihre einzige Näharbeit inzwischen darin, seinen Hosenbund weiter zu machen.
    Es machte ihr inzwischen Freude zu kochen. Das Fleisch lag bereits in einer würzigen Marinade, ganz wie Gourgouris es liebte, und sie machte sich eifrig an die Zubereitung der einzelnen Gerichte. Eier, fetter Käse, Zucker und Speck waren harmlos in kleinen Dosen, aber die Mengen, die sie verwendete, waren höchst ungesund und bildeten die perfekte Voraussetzung für ein Herzversagen. Im Moment hatten die üppigen Mahlzeiten nur den Effekt, ihn müde zu machen und fast sofort einschlafen zu lassen, aber ganz nebenbei würden auch seine Arterien verkalken und dienten somit insgeheim noch einem ganz anderen Zweck. Katerina beruhigte sich mit dem Gedanken, dass sie schließlich nur die Wünsche ihres Ehegatten erfüllte.
    Â»Ich muss mich vor dem Essen noch ein bisschen hinlegen«, sagte er ächzend. »Aber bring’s bitte bald auf den Tisch, meine Liebe.«
    Langsam schleppte er sich Stufe um Stufe die Treppe hinauf. Eine Stunde später war das Essen fertig, und er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher