Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Geschichte aus zwei Städten

Eine Geschichte aus zwei Städten

Titel: Eine Geschichte aus zwei Städten
Autoren: Charles Dickens
Vom Netzwerk:
die Doverpost ist.«
    »Wozu braucht Ihr das zu wissen?«
    »Ich will zu einem ihrer Passagiere.«
    »Wie heißt der Passagier?«
    »Mr. Jarvis Lorry.«
    Der Reisende auf dem Tritt ließ sogleich merken, daß dies sein Name sei. Der Kondukteur, der Postillion und die beiden andern Passagiere betrachteten ihn mißtrauisch.
    »Bleibt, wo Ihr seid«, rief der Kondukteur der Stimme im Nebel zu, »denn wenn mir aus Versehen etwas passiert, so könnt ich's Euer Lebtage nicht wiedergutmachen. Der Gentleman namens Lorry soll unumwunden antworten.«
    »Was gibt's?« fragte darauf der Passagier mit leiser, unsicherer Stimme. »Wer will etwas von mir? Ist es Jerry?«
    »Die Stimme dieses Jerry gefällt mir gar nicht, wenn er wirklich so heißt«, brummte der Kondukteur vor sich hin. »Der Jerry ist heiserer, als mir lieb ist.«
    »Ja, Mr. Lorry.«
    »Was gibt's?«
    »Man hat mich Euch mit einer Depesche nachgeschickt. Von T. und Co.«
    »Ich kenne diesen Boten, Kondukteur«, sagte Lorry, wieder auf die Straße hinaustretend, wobei ihm die beiden andern Passagiere, die nicht geschwind genug in die Kutsche kommen, den Schlag schließen und das Fenster aufziehen konnten, von hinten her mehr, als sich mit der Höflichkeit vertrug, Beihilfe leisteten. »Laßt ihn herankommen; es ist alles in Ordnung.«
    »Ich will's hoffen, bin aber noch nicht so fest überzeugt davon«, sagte der Kondukteur rauh vor sich hin. »He, Ihr!«
    »Nun, was soll's?« entgegnete Jerry, noch heiserer als zuvor.
    »Reitet im Schritt heran – habt Ihr mich verstanden? Und wenn Ihr an Eurem Sattel Halfter habt, so kommt mir ihnen mit der Hand nicht zu nahe; denn ich habe verteufelt schnell etwas versehen, und wenn es geschieht, so nimmt es die Form von Blei an. So, jetzt laßt Euch einmal mustern.«
    Die Gestalt des Reiters kam langsam durch den wirbelnden Nebel an die Seite des Postwagens, wo der Reisende stand. Dann machte der Fremde halt, blickte zu dem Kondukteur auf und händigte dem Passagier ein Brieflein aus. Das Roß
des Boten schnaubte mächtig, Mann und Tier waren vom Huf bis zur Hutspitze mit Schmutz bespritzt.
    »Kondukteur«, sagte der Passagier in ruhigem, geschäftlichem Ton.
    Der wachsame Kondukteur, der die Rechte am Schaft, die Linke am Lauf seiner Muskete hatte und kein Auge von dem Reiter wandte, antwortete kurz:
    »Sir!«
    »Es ist nichts zu befürchten. Ich bin Beamter von Tellsons Bank. Ihr müßt Tellsons Bank in London kennen. Ich reise in Geschäftsangelegenheiten nach Paris. Hier ist eine Krone Trinkgeld. Darf ich dies lesen?«
    »So macht nur schnell, Sir.«
    Er trat an die auf seiner Seite brennende Kutschenlaterne, öffnete das Schreiben und las – zuerst für sich, dann laut:
    »›Wartet in Dover auf Mamsell.‹ Ihr seht, es ist nicht lang, Kondukteur. Jerry, sagt, meine Antwort darauf sei: Ins Leben zurückgerufen.«
    Jerry richtete sich in seinem Sattel auf. »Das ist eine verteufelt kuriose Antwort«, sagte er in seinem heisersten Tone.
    »Richtet das aus, und man wird daraus ersehen, daß ich den Brief erhalten habe, ohne daß ich Euch eine schriftliche Antwort mitgebe. Jetzt macht, daß Ihr wieder zurückkommt. Gute Nacht!«
    Mit diesen Worten öffnete der Passagier den Wagenschlag und stieg ein. Diesmal halfen ihm seine Reisegefährten nicht, sondern taten, als ob sie schliefen, nachdem sie zuvor mit aller Behendigkeit Uhren und Börsen in ihren Stiefeln verborgen hatten. Ihr angeblicher Schlummer sollte sie wohl nur vor der Gefahr bewahren, irgend etwas anderes tun zu müssen.
    Die Kutsche holperte wieder weiter, und da es jetzt bergab ging, wurde der Nebel immer dichter. Der Kondukteur legte
die Muskete wieder in den Kasten, musterte seinen übrigen Inhalt, sah nach den Pistolen, die er noch außerdem in seinem Gürtel stecken hatte, und visitierte dann einen kleinen Behälter unter seinem Sitz, in dem sich einiges Schmiedegerät, ein paar Fackeln und eine Zunderbüchse befanden. Er war nämlich mit solcher Sorgfalt ausgestattet worden, um für den hin und wieder vorkommenden Fall, daß die Kutschenlichter vom Sturm ausgeblasen wurden, im Innern der Kutsche mittels Stahl und Stein mit leidlicher Sicherheit und Gemächlichkeit, wenn's gut ging, binnen fünf Minuten eine Flamme zustande bringen zu können.
    »Tom!« flüsterte er über das Kutschendach herunter.
    »Ja, Joe?«
    »Habt Ihr gehört, was da ausgerichtet werden soll?«
    »Ja, Joe.«
    »Was denkt Ihr Euch dabei, Tom?«
    »Nichts, Joe.«
    »Wie das seltsam
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher