Eine Frau mit Geheimnis
beauftragte mich Major Zass, Sie über die Entschuldigung des Zaren zu informieren. Bedauerlicherweise habe ich es – vergessen. Gewiss lag das an meiner Seekrankheit.“
Kein besonders überzeugender Lügner, dachte Dominic. Aber er gab vor, ihm zu glauben. Selbstverständlich wusste er, wer für das Versehen verantwortlich war. „Vielleicht möchten Sie mich zum Prinzregenten begleiten, Major Zass, und ihm die Entschuldigung des Zaren persönlich überbringen?“ Der Mann erbleichte.
Sehr gut. Dominic ließ sich nicht gern zum Narren halten, schon gar nicht mit der Hilfe eines Jungen, um den er sich so freundlich gekümmert hatte.
„ Capitaine Alexandrow wird Sie begleiten, Duke“, entschied Zass hastig und fügte grausam hinzu: „Immerhin war es sein Fehler.“
Nur mühsam verbarg Dominic sein Entsetzen. Auf diese Weise durfte ein ranghoher Offizier nicht mit seinen Untergebenen umgehen. Doch er sagte nur: „Gut. Wenn Sie bereit sind, Alexandrow, meine Kutsche wartet vor der Tür. Fahren wir zum Carlton House.“
Mit klirrenden Sporen eilte Alex die Treppe zur Eingangshalle des Hotels hinab. Als sie die letzte Stufe erreichte, setzte sie ihren Tschako auf. Der Duke erwartete sie bei der Tür und starrte zur Straße hinaus. In seinem Abendanzug sah er großartig aus. Und ziemlich abweisend, wie sie feststellte. Zweifellos ärgerte er sich über die Abfuhr, die der Zar dem Prinzregenten erteilte. Und Seine Königliche Hoheit würde in noch heftigeren Zorn geraten.
Sie hatte den Prinzregenten nur kurz gesehen. Aber ganz Europa kannte seinen Ruf. Meg, ihre schottische Kinderfrau, hatte erklärt, er sei so hübsch wie ein Märchenprinz. Aber seither waren viele Jahre verstrichen. Jetzt wirkte er nicht mehr so attraktiv.
Nun wandte sich Calder zu ihr. Unter seinem prüfenden Blick spürte sie, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, und sie verfluchte diese Schwäche. Von allen Schwierigkeiten, die ihr die Rolle eines Mannes bereitete, war dies die schlimmste. Beim besten Willen gelang es ihr nicht, ihr Erröten zu kontrollieren. Und jetzt hatte sie auch allen Grund dazu. Calder würde sie zwingen, vor dem Prinzregenten zu erscheinen und die Schuld an den Launen des Zaren auf sich zu nehmen. Warum hatte sie sich bloß dazu entschlossen? Das war überflüssig gewesen, denn Major Zass hätte sicher Mittel und Wege gefunden, die peinliche Situation zu meistern. Doch das hätte vielleicht eine deutliche Kritik am Zaren beinhaltet. Und das wäre inakzeptabel gewesen.
„Ah, da sind Sie ja, Alexej Iwanowitsch. Höchste Zeit, dass wir aufbrechen.“
„Verzeihen Sie, Calder, mein Offiziersbursche hatte meinen Tschako weggebracht, um ihn zu bürsten.“
Calder musterte den jungen Offizier von oben bis unten. „Wie ich zugeben muss, ist die Galauniform der Husaren wirklich prachtvoll. Aber vielleicht nicht besonders praktisch“, fügte er lächelnd hinzu, und Alex atmete erleichtert auf. Jetzt waren sie zum gewohnten freundlichen Geplänkel zurückgekehrt.
„Kommen Sie, der Kutscher hatte große Mühe, sich einen Weg durch das Gedränge der Schaulustigen zu bahnen. Vermutlich werden wir auch für die Fahrt zum Carlton House ziemlich lange brauchen.“ Energisch drängte er sich durch die Menschenmenge und öffnete den Wagenschlag.
Bevor Alex einstieg, nahm sie ihren Tschako ab, denn sonst hätte die lange weiße Feder im Inneren der Kutsche keinen Platz gefunden.
„Zum Carlton House!“, befahl Calder dem Fahrer. „So schnell wie möglich.“
Langsam rollte der Wagen durch das Getümmel davon, und Dominic schaute zum Hotel zurück. Auf einem Balkon standen der Zar, seine Schwester und einige Offiziere, und die Leute schrien sich heiser.
„Wahrscheinlich wird das eine anstrengende Fahrt“, seufzte Calder.
Alex nickte und lehnte sich in die Polsterung zurück.
„Hoffentlich verzeihen Sie meine Neugier, Alexej Iwanowitsch. Aber Sie sind blutjung, und ich kann mir kaum vorstellen, dass Sie am Krieg teilgenommen haben. Andererseits müssen Sie gekämpft haben, sonst würden Sie kein Georgskreuz tragen. Wie man mir erzählte, haben Sie diese Auszeichnung bei der Schlacht von Borodino verdient.“
Alex gab die Erklärung ab, die sie schon vor langer Zeit auswendig gelernt hatte. „So jung, wie ich aussehe, bin ich nicht, Duke. Inzwischen diene ich seit fünf Jahren im Heer Seiner Kaiserlichen Majestät.“
„Also war Borodino nicht Ihre erste Schlacht?“
„Allerdings nicht. Unglücklicherweise
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