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Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten

Titel: Eine Frau besorgen - Kriegsgeschichten
Autoren: László Darvasi
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dick, die Warze auf dem rechten Schenkel war an der falschen Stelle und so weiter. Schließlich bekam ich selbst das Gefühl, in Schwierigkeiten zu stecken. Das war kein Spaß mehr! Milenka Carica war derart von Leidenschaft durchdrungen, daß sie, wenn das so weiterging, alles um sich herum vernichten würde. Mich natürlich eingeschlossen. Man erzählte sich auch, sie würde trinken. Und tanzen, worüber ich mich dann doch sehr wunderte. Und ich weiß wirklich nicht, was passiert wäre, hätte ich eines Vormittags nicht unerwartet Besuch bekommen.
    Ein Militärjeep fuhr vor dem Gehöft vor. Augenblicke später stand ein feiner Herr mit Schnurrbart vor dem Tor, seine Schläfen waren von einem weißen Streifen verziert. Er trug die Uniform der englischen Armee, und er war ein Major, ein echter englischer Soldat, dennoch blickte er über meinen Hof und lächelte mich an, als wäre er ein Dichter von feiner Feder.
    Oxford, begrüßte ich ihn schon auf dem Hof.
    Cambridge, sagte er, und danach gleich die Fremdenlegion. Er lachte. Später die Innere Sicherheit und die Königliche Garde.
    Ich bin ein Staatsangestellter, sagte er dann lächelnd.
    Ich nickte. Genau wie ich, sagte ich.
    Er erkundigte sich höflich nach meinem Namen, ob ich der berühmte Rada Hand sei, Meister für künstliche Extremitäten, der das Geschäft vor einigen Monaten von seinem Vater geerbt habe. So ist es, lachte ich, schauen Sie sich nebenan um, da ist meine Fabrik. Nicht nur künstliche Beine und Arme, bei mir gibt es auch künstliche Köpfe in verschiedenen Größen. Der Major blinzelte überrascht ob dieser Information, worauf ich hinzufügte, Bedarf an einem künstlichen Kopf hätten normalerweise jene Angehörige, die einen ihrer Verwandten ohne Kopf auffanden. Ja, das kommt auch bei uns in der Gegend vor. Der Major hüstelte sich in die Faust.
    Ach ja, er habe auch schon von solchen Fällen gehört.
    Er schaute mich mit seinem blau verschwimmenden, traurigen Blick an. Er habe gehört, sagte er schließlich leise, ich würde John Donnes Gedicht The Good Morrow kennen. Er wartete auf keine Antwort. Er beugte sich flink vor und riß sein Hosenbein hoch. Sein rechtes Bein kam mir recht bekannt vor. Das habe ja ich entworfen! Obwohl er nicht der Auftraggeber war, daran hätte ich mich erinnert, dennoch trug er jetzt das Bein. Ich starrte in sein glattes, gepflegtes Gesicht. Wahrscheinlich blieb mir sogar der Mund offen stehen.
    Er erzählte errötend, er habe das künstliche Bein bei den Ausgrabungen in Jakulevo gefunden. Ich nickte nachdenklich, o ja, auch ich habe von den Ereignissen in Jakulevo gehört. Die die Einzelheiten besser kennen sagen, daß die Grabungen von Jakulevo eine ziemlich komplizierte Geschichte seien. Der Major stieß in der sogenannten zweiten Etappe der Grabungen von Jakulevo auf das künstliche Bein, und als er es sah, spürte er sofort, daß es für ihn gemacht war, und wie von einer Intuition geleitet, schnallte er es vom Bein des Jakulevoer Toten ab und hob es einfach auf. Seitdem denke er oft darüber nach, aber er komme immer wieder zum gleichen Ergebnis, nämlich ob der Tote nun aus Jakulevo war oder nicht, die Prothese würde er jedenfalls nicht mehr brauchen.
    Der Major lachte ernst.
    Und als wäre es im Zeichen einer göttlichen Vorsehung passiert, trat er bei der sogenannten dritten Etappe der Grabungen von Jakulevo auf eine Mine. Es konnte offensichtlich kein Zufall sein, daß man ausgerechnet sein rechtes Bein habe amputieren müssen. Aber er war überhaupt nicht verzweifelt. Es gab doch dieses hier, sagte er und klopfte an sein Knie.
    Eine sehr schöne Geschichte, sagte ich leise.
    Er nickte, der Mensch kann nicht erkennen, wann er an der Gnade der Schönheit teilhat.
    Wir sind kleine Lichter in der Welt, doch die Liebe in uns kann außerordentlich sein, sagte ich.
    Der Major lachte auf. Ich solle mir doch nur vorstellen, sagte er dann, er habe, während wir redeten, meine Hand beobachtet. Ihre Hand, Mister, war nicht mit uns, während ich erzählte, mich vor Ihnen offenbarte. Ich hatte das Gefühl, sagte er, als würde sie einen anderen Menschen streicheln. Sie, Rada Hand, haben Ihre Hand verkauft.
    Ich bemühte mich, nicht auf meine Finger zu blicken.
    Stimmt es, daß Sie auch für Milenka Carica arbeiten?
    Ich habe immer schon für sie gearbeitet, nickte ich ernst.
    Ich betrachtete das Bein des Majors, und plötzlich kam mir ein seltsamer Gedanke. Jebiga, mein guter Major, jebiga.
    Aber nun arbeite ich
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