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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit
Autoren: Georg Sander
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Jost.“
    Sie lehnte sich zurück und musste nun ebenfalls lächeln: „Ich wollte Ihnen und Ihrem Berufsstand nicht zu nahe treten. Ich verstehe Ihre Vorbehalte gegen Unternehmensberater. Es gibt schließlich gerade in unserer Branche eine Menge schwarze Schafe. Würde es Ihnen helfen, wenn ich Ihnen meinen Lebenslauf schildere?“
    „Versuchen Sie’s!“
    „36 Jahre. BWL- und Journalistik-Studium. Zwei Jahre in der Wirtschaftsredaktion einer überregionalen Tageszeitung. Babypause. Währenddessen und in den folgenden fünf Jahren freie Journalistin für Wirtschaft mit Schwerpunkt Medien, außerdem Dozentin für Online-Journalismus an der Universität Frankfurt. Seit vier Jahren Beraterin bei TGHZ.“
    „Scheint so, als könnten Sie eine Tageszeitung von einer Schnürsenkelfabrik unterscheiden.“
    Sie nickte: „An meinen besseren Tagen gelingt mir das.“
    „Sie haben ein Kind?“
    „Was?“
    „Sie sagten ‚Babypause’. Junge oder Mädchen?“
    Ein warmes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie zog ihre Geldbörse aus der Aktentasche und fischte ein Foto heraus, das sie zu ihm über den Tisch schob: „Er heißt Jonas und ist neun Jahre alt.“ Das Foto zeigte einen blonden Jungen, der eine getigerte Katze im Arm hielt. Er kam ganz unverkennbar nach seiner Mutter.
    „ Er ist Ihr Eisbrecher, nehme ich an“, sagte Velten.
    Sie war irritiert: „Ich verstehe nicht.“
    Er gab ihr die Aufnahme zurück: „Ich wette, Sie zeigen jedem verhinderten Nobelpreisträger das Bild ihres Sohnes. Ihr Gesprächspartner kontert dann mit einem Foto seiner Familie und plaudert ein wenig über seine Kinder. Eine gute Voraussetzung für die weitere Zusammenarbeit.“
    Für einen winzigen Moment blitzten ihre Augen zornig auf. Dann lachte sie laut. Er mochte, wie sie lachte. „Herr Velten, ich glaube, wir haben uns jetzt hinreichend gegenseitig beeindruckt und können uns dem Zeitungsmarkt widmen.“
    In der folgenden Dreiviertelstunde diskutierten sie die Veränderungen, denen sich die Presselandschaft gegenüber sah. Velten stellte erfreut fest, dass Nina Jost tatsächlich nicht zu der Sorte Berater zählte, die darauf nur mit immer neuen Sparrunden reagieren wollen. Bevor sie das Thema jedoch vertiefen konnten, war die Stunde, die sie für das Gespräch angesetzt hatten, vorbei. Sie verabredeten sich für den Mittwochvormittag, um über konkrete Maßnahmen zu sprechen.
    Um Punkt fünfzehn Uhr kehrte Marcks von ihrem Ausflug in die Landkreisredaktion zurück. Sie erlebte gerade noch mit, wie sich Velten und Nina Jost gut gelaunt voneinander verabschiedeten.
    „Sie macht einen sympathischen Eindruck“, stellte Marcks fest, als die Beraterin gegangen war.
    „Ziemlich sympathisch“, bestätigte Velten zerstreut, in Gedanken noch immer ganz bei Nina Jost. „Wie ist es Ihnen bei Frenger ergangen?“
    „Ich durfte an einem großen Artikel über das hundertjährige Bestehen des Landfrauenvereins Rodalben mitarbeiten.“
    Er grinste: „Sie Ärmste.
    Die nächsten beiden Stunden brachten die beiden Journalisten damit zu, am Bildschirm die Morgenkurier -Ausgaben der letzten Wochen durchzusehen. Velten erläuterte seiner Kollegin das Who’s who von Politik, Wirtschaft und Kultur in Waldenthal. Marcks hörte aufmerksam zu und machte sich hin und wieder Notizen. Vor allem stellte sie die richtigen Fragen, wie Velten anerkennend feststellte.
    Am späten Nachmittag steckte Renate Knab den Kopf durch die Tür: „Velten, hast du die Mail der Polizei schon gelesen? Für morgen um halb zehn ist eine Pressekonferenz angesetzt. Es geht um eure Parkplatzleiche.“
    Velten öffnete die Mail. Viel mehr als das, was ihm die Redaktionsassistentin eben bereits gesagt hatte, stand in der Einladung der Polizei auch nicht. Er überlegte kurz, ob er Susanne anrufen und sie nach Details fragen sollte, verzichtete dann aber darauf. Sie würde vor der PK mit Sicherheit keine Informationen herausgeben. Nicht einmal ihm.
     
    - - -
     
    Der nächste Tag, ein Dienstag, versprach erneut heiß zu werden. Velten entschied sich dafür, den alten Mercedes in der Garage zu lassen. Kurz vor halb zehn steuerte er seinen Golf auf den Parkplatz der Waldenthaler Polizei. Marcks wartete bereits am Eingang des schmucklosen, achtgeschossigen Gebäudes aus den siebziger Jahren und entdeckte ihn erst, als er aus dem Wagen stieg. „Guten Morgen. Der Mercedes gefiel mir besser.“
    „Er hat leider keine Klimaanlage.“
    Sie betraten das Polizeigebäude und nahmen
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