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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn
Autoren: Y Lee
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allzu modisch, aber auch keineswegs ärmlich. Sie unterhielten sich angeregt. Und sie sahen Mary neugierig an, die immer noch vor dem geschlossenen Eisentor stand.
    »Hast du dich verlaufen?«, fragte die Größere der beiden, als sie auf das Tor zukamen.
    Mary schüttelte den Kopf. »Nein, Miss.« Ihre Stimme kam höher heraus, als ihr lieb war, und hastig räusperte sie sich. »Man hat mich herbestellt.«
    Ein leichtes Runzeln kräuselte die Stirn der Mädchen. »Wer hat dich herbestellt?«
    »Ich meine, ich soll einen Brief abliefern.«
    Das Mädchen streckte die Hand aus. »Den kannst du mir geben.«
    Wieder schüttelte Mary den Kopf. »Geht nich, Miss. Hab den Auftrag, ihn Mrs Frame zu geben und keinem anderen. Ist das hier, wo sie wohnt?« Den ganzen Morgen hatte sie diesen speziellen Tonfall geübt und gleichzeitig versucht, etwas tiefer zu sprechen.
    Das Mädchen sah sie hoheitsvoll an. »Du kannstmir ruhig vertrauen; ich bin Schülersprecherin an dieser Akademie.«
    Mary wusste genau, wer Alice Fernie war. Schülersprecherin der Akademie, ha! Sie war nur Sprecherin ihrer Klasse. »Geht nich, Miss. Befehl.«
    Das Gesicht der
Schülersprecherin
verzog sich zu einem finsteren Drohen, doch ehe sie wieder etwas sagen konnte, mischte sich ihre Begleiterin ein: »Lass doch, Alice. Wir kommen noch zu spät, wenn wir hier rumstehen und mit ihm streiten.«
    »Ich
streite
doch nicht, ich sage nur   –«
    Das zweite Mädchen klinkte das Tor auf und nickte Mary freundlich zu. »Geh ruhig rein.«
    Mary zog respektvoll ihre Kappe, schlüpfte an den beiden Mädchen vorbei und ließ die finster blickende Alice stehen. Während sie auf den Seiteneingang zusteuerte   – die Haustür kam für einen bescheiden gekleideten Botenjungen nicht infrage   –, grinste sie übers ganze Gesicht. Alice Fernie und Martha Mason waren auf ihre Verkleidung hereingefallen. Das war doch ein guter Anfang.
    Ihr kleines Polster an Zuversicht schwand jedoch, als sie die vertrauten Gänge entlangging und ihre schweren Stiefel auf den Läufern scharrten. Zwei Schulmädchen zu täuschen, war eine Sache, den Leiterinnen der Agentur gegenüberzutreten, eine ganz andere. Als sie sich der schweren Eichentür von Anne Treleavens Büro näherte, zog sich ihr Magen zusammen und ihr wurde etwas schwummerig. Sie war zu aufgedreht gewesen, um etwas zufrühstücken. Und auch, um gestern zu Abend zu essen.
    Als sie die Hand hob, um anzuklopfen, fiel ihr wieder ein, dass sie vor etwas mehr als einem Jahr genau das Gleiche getan und sich genauso gefühlt hatte. Damals hatte sie von der Existenz der Agentur erfahren und mit der Ausbildung zur Geheimagentin begonnen. Und nun stand sie wieder hier und fühlte sich genauso verwirrt und beklommen wie damals. Die Erinnerung machte ihr Mut. Sie war nicht mehr das gleiche Mädchen, das sie letzten Frühling gewesen war   – unerfahren, hitzköpfig, ohne Ausbildung. Während des letzten Jahres hatte sie so viel gelernt. Aber es waren nicht die körperlichen Fähigkeiten   – Fingerfertigkeit, Verkleidungskunst, Kampftechnik. Es war ihr besseres Verständnis der Menschen, des kalkulierten Risikos, das bewies, wie sie sich verändert hatte   – und was sie noch alles lernen musste. Und das verdankte sie alles diesen Frauen. Sie vertraute ihnen. Und das Vertrauen würde die Angst in ihrem Magen besiegen.
    Irgendwie.
    ***
    »Sie hätten den Auftrag nicht annehmen dürfen, Mrs Frame.«
    Felicity Frames selbstsicheres Lächeln wankte nicht. »Der Auftrag ist exzellent: interessant, lukrativ, und außerdem macht er diejenigen, die in Westminster das Sagen haben, auf uns aufmerksam. Wenn sieunsere Arbeit an diesem Fall zur Kenntnis nehmen, könnte es der Beginn einer ganz neuen Ära für die Agentur sein.«
    Anne Treleaven bemühte sich um einen gelassenen Gesichtsausdruck. »Solche vollmundigen Behauptungen ändern nichts an der Tatsache, dass Sie sich unangemessen verhalten haben. Nie zuvor haben wir einen Auftrag angenommen, ohne gemeinsam zu entscheiden.«
    »Ich hatte keine Zeit, Sie zurate zu ziehen; ich musste schnell handeln, um uns den Kunden zu sichern.« Felicity verstummte und sah Anne eindringlich an. »Sie sind immer noch ungehalten.«
    »Ich bin nicht ›ungehalten‹.« Annes Stimme bebte vor unterdrückter Spannung. »Aber mich versetzen sowohl Ihr Handeln als auch Ihr Plan bezüglich der Durchführung dieser Aufgabe in Sorge.«
    Felicity wirkte plötzlich erschöpft. »Sagen Sie bloß nicht  
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