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Eine Evatochter (German Edition)

Eine Evatochter (German Edition)

Titel: Eine Evatochter (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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neues zu bauen. Er will einen Wald und herrliche Domänen dazu kaufen. Sein Sohn soll Graf werden und im dritten Geschlecht will er adlig sein. Nucingen ist seines Hauses in der Rue St. Lazare überdrüssig und baut sich einen Palast. Seine Frau ist mit mir befreundet ... Ach!« rief sie aus, »sie kann uns von Nutzen sein. Sie ist ihrem Manne gegenüber dreist, sie hat freie Verfügung über sein Vermögen, sie wird dich retten.«
    »Liebe Kleine, ich habe nur noch ein paar Stunden. Gehen wir heute abend zu ihr, sofort,« sagte Frau von Vandenesse, indem sie sich in die Arme ihrer Schwester warf und in Tränen ausbrach. »Wie kann ich um elf Uhr abends ausgehen?« »Ich habe meinen Wagen.«
    »Was für ein Komplott schmiedet ihr da?« fragte du Tillet, die Tür des Boudoirs öffnend. Er zeigte den beiden Schwestern ein harmloses Gesicht, das von falscher Liebenswürdigkeit strahlte. Die Teppiche hatten seine Schritte gedämpft, und die beiden Damen waren derart miteinander beschäftigt, daß sie das Vorfahren seines Wagens nicht gehört hatten. Bei der Gräfin waren Geist und Klugheit durch das Leben in der großen Welt und die Freiheit, die Felix ihr ließ, entwickelt worden, während sie bei ihrer Schwester durch die Tyrannei ihres Gatten, die der mütterlichen Tyrannei gefolgt war, unentwickelt geblieben waren. Sie sah, daß Eugenie sich durch ihr Erschrecken fast verriet, und rettete sie durch eine kecke Antwort.
    »Ich hielt meine Schwester für reicher als sie ist,« antwortete sie, ihren Schwager anblickend. »Die Frauen befinden sich manchmal in Verlegenheiten, die sie ihren Männern nicht sagen mögen, wie Josefine bei Napoleon, und ich hatte sie um eine Gefälligkeit gebeten.« »Die kann sie dir leicht erweisen, Schwägerin. Eugenie ist sehr reich,« antwortete du Tillet mit süßlicher Schärfe.
    »Nur für dich, Schwager,« entgegnete die Gräfin mit bittrem Lächeln.
    »Was brauchst du?« fragte du Tillet. Ihm war es nicht unlieb, seine Schwägerin in sein Garn zu ziehen.
    »Dummkopf, sagte ich dir nicht, daß wir uns unsern Männern gegenüber nicht bloßstellen wollen?« erwiderte Frau von Vandenesse mit Bedacht. Sie begriff, daß sie sich dem Manne auslieferte, dessen Charakterbild ihre Schwester ihr zum Glück entworfen hatte. »Ich werde Eugenie morgen besuchen.«
    »Morgen?« wiederholte der Bankier frech. »Nein, meine Frau speist morgen bei einem künftigen Pair von Frankreich, dem Baron von Nucingen, der mir seinen Platz in der Deputiertenkammer abtritt.«
    »Erlaubst du ihr nicht, meine Loge in der Oper anzunehmen?« fragte die Gräfin, ohne einen Blick mit ihrer Schwester zu tauschen; so sehr fürchtete sie, daß diese ihr Geheimnis verriete.
    »Sie hat ihre eigene,« versetzte du Tillet verletzt.
    »Nun, dann sehe ich sie da wieder,« entgegnete die Gräfin.
    »Das wäre das erstemal, daß du uns diese Ehre erweist,« bemerkte du Tillet.
    Die Gräfin fühlte den Vorwurf und begann zu lachen.
    »Beruhige dich,« sagte sie. »Diesmal soll es dich nichts kosten. Lebewohl, Liebste.«
    »Unverschämtheit!« schrie du Tillet und las die Blumen auf, die aus dem Haarputz der Gräfin gefallen waren. »Du müßtest dir an Frau von Vandenesse ein Muster nehmen,« sagte er zu seiner Frau. »Ich wünschte, du wärest in Gesellschaft so dreist, wie deine Schwester es eben hier war. Du hast etwas Spießiges und Albernes an dir, das mich zur Verzweiflung bringt.«
    Statt jeder Antwort blickte Eugenie gen Himmel. »Nun, Madame, was habt ihr beiden denn hier getrieben?« fragte der Bankier nach einer Pause und zeigte ihr die Blumen. »Was geht vor, daß deine Schwester morgen in deine Loge kommen will?«
    Die arme Sklavin brauchte die Ausrede, daß sie müde sei, und wollte hinaus, um sich auskleiden zu lassen, denn sie fürchtete ein Verhör. Da packte du Tillet seine Frau am Arme, stellte sie vor sich ins Licht der Kerzen, die in einem silbernen Armleuchter zwischen zwei köstlichen Blumensträußen brannten, und bohrte seine hellen Blicke in die seiner Frau.
    »Deine Schwester war bei dir, um sich 40 000 Franken zu borgen, die ein Mann braucht, für den sie sich interessiert und der in drei Tagen wie ein Wertobjekt in der Rue Clichy hinter Schloß und Riegel sein wird,« sagte er kalt.
    Die Ärmste unterdrückte ein nervöses Zittern, das sie befiel.
    »Du hast mich erschreckt,« sagte sie. »Aber meine Schwester ist zu gut erzogen und liebt ihren Gatten zu sehr, um sich derart für einen Mann zu
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