Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Evatochter (German Edition)

Eine Evatochter (German Edition)

Titel: Eine Evatochter (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
suchen, an die ich erst glaube, wenn ich sie sehe.«
    »Bleib da,« sagte Felix, »und paß auf!«
    Er nahm seine Frau beim Arme und stellte sich zwei Schritte von Florine auf. Nathan, der im Foyer hin und her lief und seine Maske überall suchte, wie ein Hund seinen Herrn, kehrte bald an die Stelle zurück, wo er die Anvertrauung erhalten hatte. Als sie auf seiner Stirn eine leicht erkennbare Besorgnis las, stellte sie sich wie ein Prellstein vor den Schriftsteller und sagte gebieterisch:
    »Ich will nicht, daß du mich verläßt. Ich habe meine Gründe dafür.«
    »Marie!«... flüsterte die Gräfin ihm auf den Rat ihres Gatten ins Ohr. »Wer ist diese Frau? Verlaß sie auf der Stelle, geh hinaus und erwarte mich am Fuß der Treppe.«
    In dieser furchtbaren Verlegenheit stieß Raoul Florines Arm heftig zurück. Sie war auf dies Manöver nicht gefaßt und hielt ihn umsonst mit Gewalt fest. Sie mußte ihn loslassen. Nathan war sofort in der Menge verschwunden.
    »Was hab' ich dir gesagt?« rief Felix der verblüfften Florine ins Ohr und gab ihr den Arm.
    »Komm,« sagte sie, »wer du auch seist, komm. Hast du einen Wagen?«
    Statt jeder Antwort riß Vandenesse Florine mit sich fort und holte seine Frau an einer verabredeten Stelle in der Vorhalle ein. Der Wagen fuhr im Galopp davon, und nach wenigen Minuten langten die drei Masken bei der Schauspielerin an. Sie legte ihre Maske ab. Frau von Vandenesse konnte ein Zittern der Überraschung nicht unterdrücken, als sie Florine so sah, vor Wut erstickend, prachtvoll in ihrem Zorn und in ihrer Eifersucht.
    »Hier ist«, sagte Vandenesse, »eine gewisse Mappe, deren Schlüssel dir nie anvertraut wurde. Darin müssen die Briefe sein.«
    »Donnerwetter, das intrigiert mich! Du weißt etwas, was mich seit mehreren Tagen beunruhigt,« sagte Florine und stürzte in das Arbeitszimmer, um die Mappe zu holen.
    Vandenesse sah seine Frau unter ihrer Maske erbleichen. Florines Schlafzimmer sagte das Weitere über die Beziehungen der Schauspielerin zu Nathan. Es war mehr, als eine ideale Geliebte hätte wissen mögen. Ein Frauenauge erfaßt die Wahrheit solcher Dinge im Fluge, und die Gräfin erkannte in dem gemeinsamen Haushalte einen Beweis mehr für das, was Vandenesse ihr gesagt hatte.
    Florine kam mit der Mappe zurück.
    »Wie soll man sie öffnen?« fragte sie.
    Die Schauspielerin ließ sich das große Küchenmesser bringen, und als die Kammerzofe es brachte, schwenkte Florine es mit spöttischer Miene.
    »Damit schlachtet man die Hühner ,« sagte sie. Dies Wort ließ die Gräfin erbeben. Es erklärte ihr noch besser als alles, was ihr Gatte ihr gestern gesagt hatte, in welchen Abgrund sie fast gestürzt, wäre.
    »Bin ich dumm,« rief Florine. »Mit seinem Rasiermesser geht's besser.«
    Sie holte Nathans Rasiermesser und schlitzte die Falten des Maroquinleders auf. Aus der offenen Mappe quollen Maries Briefe hervor. Florine griff einen heraus.
    »Ja, das ist wirklich von einer feinen Dame. Nicht ein Schreibfehler scheint drin zu sein.«
    Vandenesse nahm die Briefe und gab sie seiner Frau, die auf einem Tisch feststellte, ob keiner fehlte.
    »Willst du sie hierfür hergeben?« fragte Vandenesse und reichte Florine den Wechsel auf 40 000 Franken.
    »Wie dumm, solche Scheine auszustellen!... Gut für Liebesbriefe,« sagte Florine, den Wechselbrief lesend. »Ha, das werd' ich dir anstreichen! Gräfinnen! Und ich machte mich derweil in der Provinz geistig und körperlich kaputt, um Geld für ihn aufzutreiben. Ich hätte mich wie ein Wechselagent abgequält, um ihn zu retten! So sind die Männer. Wenn man sich für sie kaputt macht, trampeln sie auf einem herum! Er soll es mir büßen.«
    Frau von Vandenesse halte sich mit den Briefen entfernt.
    »He! Sag mal, schöne Maske! Laß mir einen, um ihn zu überführen.«
    »Das ist nicht mehr möglich,« sagte Vandenesse.
    »Warum nicht?«
    »Die Maske ist deine frühere Nebenbuhlerin.«
    »So. Dann konnte sie mir wenigstens Danke sagen!« schrie Florine.
    »Wofür nimmst du denn die 40 000 Franken?« fragte Vandenesse und empfahl sich.
    Es kommt äußerst selten vor, daß junge Leute, die einen Selbstmord versucht haben, ihn nochmals wiederholen, wenn sie die Schmerzen kennengelernt haben. Heilt der Selbstmord nicht vom Leben, so heilt er vom freiwilligen Tode. Auch Raoul hatte keine Lust mehr, sich umzubringen, als er sich in einer noch furchtbareren Lage sah, als die, aus der er sich hatte befreien wollen. Fand er doch seinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher