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Eine Evatochter (German Edition)

Eine Evatochter (German Edition)

Titel: Eine Evatochter (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Wechselbrief an Schmuke in Florines Händen, die ihn offenbar vom Grafen Vandenesse hatte. Er versuchte die Gräfin noch einmal zu sehen, um ihr die Art seiner Liebe zu erklären, die in seinem Herzen stärker denn je lohte. Aber das erstemal, als die Gräfin ihn in Gesellschaft sah, warf sie ihm jenen starren, verächtlichen Blick zu, der zwischen Mann und Frau Abgründe aufreißt. Trotz seiner Selbstgewißheit wagte Nathan während der letzten Winterzeit nie mehr, mit der Gräfin zu sprechen noch an sie heranzutreten.
    Nur Blondet schüttete er sein Herz aus. Er sprach von Frau von Vandenesse wie von Laura und Beatrix und erging sich über jene schöne Stelle aus der Feder eines der hervorragendsten zeitgenössischen Dichter: »Ideal, blaue Blume mit dem goldnen Herzen, deren Wurzelfasern, tausendfach feiner als das Seidengespinst der Feen, tief in unsre Seele tauchen und ihren reinsten Stoff trinken. Bittersüße Blume! Du läßt dich nicht ausreißen, ohne daß das Herz blutet, ohne daß rote Tropfen von deinem geknickten Stengel tropfen! Ach, verfluchte Blume, wie tief wurzelst du in meiner Seele!«
    »Du faselst, mein Lieber,« sagte Blondet zu ihm. »Ich gebe dir zu, daß die Blume hübsch war, aber nicht ideal. Und statt wie ein Blinder vor einer leeren Nische zu singen, solltest du daran denken, dir die Hände zu waschen, um deinen Frieden mit der Regierung zu schließen und in geordnete Verhältnisse zu kommen. Du bist zu sehr Künstler, um Politiker zu sein. Mit dir haben Leute gespielt, die nicht an dich heranreichten. Denke daran, daß du weiter gespielt wirst, aber anderswo.«
    »Marie kann mich nicht hindern, sie zu lieben,« sagte Nathan. »Ich will sie zu meiner Beatrix machen.«
    »Mein Lieber, Beatrix war ein kleines Mädchen von zwölf Jahren, das Dante später nicht mehr gesehen hat. Wäre sie sonst Beatrix geworden? Um eine Frau zur Göttin zu erheben, dürfen wir sie nicht heute in einer Mantille, morgen im ausgeschnittenen Kleid und übermorgen auf dem Boulevard sehen, wo sie Spielsachen für ihren Jüngsten kauft. Wenn man Florine hat, die abwechselnd Komödienherzogin, Bürgerfrau im Drama, Negerweib, Marquise, Oberst, Schweizer Bäuerin und Sonnenjungfrau in Peru ist – ihre einzige Art, Jungfrau zu sein – so verstehe ich nicht, wie man sich mit vornehmen Damen einlassen kann.«
    Du Tillet ließ, um den Börsenausdruck zu gebrauchen, Nathan ausschließen, und da dieser kein Geld hatte, trat er seinen Anteil an der Zeitung ab. Der berühmte Mann erhielt in dem Wahlkreis nicht mehr als fünf Stimmen, und der Bankier wurde gewählt.
    Als die Gräfin von Vandenesse im folgenden Winter von einer langen schönen Reise nach Italien heimkehrte, hatte Nathan alles wahrgemacht, was Felix vorausgesehen hatte. Auf Blondets Rat hin verhandelte er mit der Regierung. Die persönlichen Angelegenheiten des Schriftstellers waren in derartiger Unordnung, daß Gräfin Marie ihren alten Anbeter eines Tages in den Champs Elysées zu Fuß im traurigsten Aufzuge sah; Florine hing an seinem Arm. Ist schon ein gleichgültiger Mann in den Augen einer Dame ziemlich häßlich, so erscheint ein nicht mehr geliebter vollends abstoßend, zumal wenn er Nathan ähnelt. Frau von Vandenesse schämte sich bei dem Gedanken, daß sie sich für Raoul interessiert hatte. Wäre sie nicht ohnedies von jeder außerehelichen Neigung geheilt gewesen, so hätte der Kontrast zwischen dem Grafen und jenem Manne, der schon in der öffentlichen Gunst gesunken war, hingereicht, um ihrem Gatten den Vorzug vor einem Engel zu geben.
    Heute hat dieser Streber, der so reich an Tinte und so arm an Willen ist, kapituliert und sich wie ein Durchschnittsmensch ein bequemes Pöstchen verschafft. Nachdem er alle zerstörenden Tendenzen unterstützt hat, lebt er friedlich im Schatten eines ministeriellen Blättchens. Das Kreuz der Ehrenlegion, über das er so oft hergezogen ist, ziert sein Knopfloch. Der Friede um jeden Preis, den er in der Redaktion seines revolutionären, Blattes aufs Korn genommen halte, ist jetzt der Gegenstand seiner Lobeshymnen. Das Erbrecht, das er in seinen Saint-Simonistischen Phrasen so angegriffen hatte, verteidigt er jetzt mit der Autorität der Vernunft. Dies unlogische Benehmen hat seinen Grund und Ursprung in dem Frontwechsel einiger Leute, die während der letzten politischen Entwicklung so gehandelt haben wie Raoul.

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