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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn
Autoren: Ambler
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sehr glückliche Entwicklungsgeschichte!«
    »Wenn sie ein Dutzend Jahre älter wäre, würde ich Ihnen die Selbstmordversion abnehmen, Piet. Aber schauen Sie sich das mal an.« Er entnahm dem Dossier, das ich auf seinen Schreibtisch gelegt hatte, eine Fotografie und hielt sie mir hin. Lucia Bernardi, mit wehendem Haar und lockenden Armen, lachte in die Kamera. »Selbstmord? Die da?« fragte er.
    »›Sie hatte alles, was das Leben lebenswert macht‹ ist eine häufige Grabschrift.«
    »Nicht, wenn man jung und so gebaut ist.« Sys Sekretärin brachte die Post aus New York. »Schaun wir, was der Meister uns zu sagen hat.«
    Er blätterte flüchtig in dem Durcheinander von Fahnenabzügen, Fotos, Vermerken und Notizen. Dann nahm er den versiegelten Umschlag mit dem Stempel VERTRAULICH heraus und gab den Rest der Sekretärin zum Sortieren und Verteilen. Umständlich öffnete er den Brief und las ihn langsam. Dann gab er ihn mir.
    Zu oberst stand: VOM SCHREIBTISCH DES HERAUSGEBERS. Dann hieß es:
    An die Pariser Redaktion, zu Händen von Logan.
    Betreffend die vermißte Bernardi habe ich von privater – ich wiederhole: privater – Seite die folgende Information erhalten:
    Als Arbil in St. Moritz die Bernardi traf, aufgabelte oder von ihr aufgegabelt wurde, war sie in Gesellschaft eines Mannes, eines Amerikaners vermutlich, der sich Patrick Chase nannte. ›In Gesellschaft‹ heißt, daß sie getrennte, aber nebeneinander liegende Zimmer im selben Hotel bewohnten.
    Beachten Sie nun das Folgende:
    Die Schweizer Polizei überwachte Chase, weil sie ihn für einen Schwindler hielt. Man nahm an, daß die Bernardi mit dem Bauernfänger zusammenarbeitete, und daß Arbil das nächste Opfer war. Die Polizei des Kantons Graubünden ließ Chase und die Bernardi von Interpol überprüfen, konnte aber nichts Nachteiliges erfahren. Chase war ›bekannt‹, aber nicht vorbestraft, das Mädchen ein unbeschriebenes Blatt. Chase schien von der Überwachung Wind bekommen zu haben, denn er setzte sich plötzlich nach Italien ab. Die Bernardi blieb und zog mit Arbil in das verwaiste Appartement.
    All das haben die Burschen von St. Moritz ihren Kollegen in Zürich mitgeteilt. Was diese aber nicht wissen, weil es damals noch nicht einmal Interpol wußte, ist das folgende:
    ›Patrick Chase‹ ist ein Pseudonym. Dieser Schwindler ist ein Künstler in seinem Fach. In den letzten acht Jahren arbeitete er in Europa, vorwiegend in Westdeutschland und Italien, Da er in New York aufwuchs und zur Schule ging, kann er leicht den Amerikaner spielen. Er ist aber in Frankreich geboren und ist französischer Staatsbürger.
    Als ›Chase‹ wurde er ein paarmal verhört, und vor einigen Jahren wurde unsere Botschaft in Bonn aufgefordert, das F.B.I. auf seine Spur zu setzen.
    Jetzt war doch da vor sechs Monaten (Anfang September) diese Geschichte mit den gefälschten 20-Dollar-Noten, die in Europa zirkulierten. Unsere Leute gingen der Sache nach und stießen dabei auch auf ›Chase‹. Eine geraume Zeit stand er unter dem Verdacht, ein Verteiler zu sein, und die heimliche Durchsuchung seiner Habe und die Überprüfung seiner Korrespondenz förderten ein interessantes Detail zutage. Unter dem Namen Philip Sanger verhandelte er über einen Grundstückkauf, in Sète in Südfrankreich. Eine Kontrolle ergab, daß das sein richtiger Name ist, und daß er 1925 in Lyon, Frankreich, geboren wurde.
    Obschon es jetzt ein Jahr her ist, seit die Polizei von St. Moritz Chase und die Bernardi überwachte, ist es durchaus möglich, daß irgendein gewissenhafter Polizist in Zürich das gesamte Material nochmals durchgeht und, vielleicht bloß, weil er nichts Besseres zu tun hat, Mr. Chase von neuem unter die Lupe nimmt. Tut er das, so wird er sicher auf Mr. Sanger stoßen, denn unsere Leute haben eine Kopie des Berichts über Sanger an Interpol geschickt. Vielleicht ist er schon dabei!
    Auf was warten Sie noch, meine Herren?
    Der Brief trug weder Unterschrift noch Initialen. Ich gab ihn Sy zurück und wartete.
    »Nun ja«, sagte er unsicher, »immerhin etwas.«
    »Finden Sie? Ich würde sagen, jener Außenseiter, den Sie erwähnten, läuft überhaupt nicht mit.«
    »So weit würde ich wieder nicht gehen.« Er glättete das Briefpapier sorgfältig, wie um dem Inhalt mehr Bedeutung zu verleihen. »Das sieht mir nach einem Tip aus, nach einem Tip von jemandem im Schatzamt.«
    »Steht das mit Interpol in Verbindung?«
    »Manchmal schon. Die Vereinigten Staaten sind zwar nicht
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