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Eindeutig Liebe - Roman

Eindeutig Liebe - Roman

Titel: Eindeutig Liebe - Roman
Autoren: Jessica Thompson
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das Geräusch mir den Atem verschlug. Das war eine meiner liebsten Geräuschkulissen: die Natur, wie sie auf die Welt ringsum einprügelte, während ich sicher in meinem kleinen, von Menschenhand geschaffenen Kasten auf der Couch hockte, Wein trank und las.
    Dann las ich das Etikett, das auf dem Buch klebte: 1. JULI 2006.
    Mann, das ist ja ewig her, dachte ich. Damals hatte ich gerade erst ein paar Monate meinen Job; alles war noch ganz anders gewesen. Wieder wappnete ich mich innerlich, bevor ich das Notizbuch öffnete. Ich würde damit klarkommen … und wenn es zu viel werden würde, würde ich es einfach weglegen und in ein paar Monaten weitermachen. Niemand zwingt mich, das zu lesen, dachte ich und schlug die Kladde mit zitternden Händen auf. Ich blätterte über die Seiten, mein Blick huschte über die Wörter. Plötzlich sprang mir der Name »Nick« ins Auge. Wie seltsam … Ich hatte ihn damals erst ganz kurz gekannt. Also blätterte ich zurück an die Stelle, wo ich den Namen gesehen hatte, und begann zu lesen:
    Kinder zu haben ist schwierig. Inwieweit soll man ihnen den Weg zeigen und ihnen die Antworten geben? Ich habe immer zu den Vätern gehört, die ihre Kinder ihre eigenen Fehler machen lassen. Sienna sollte alles alleine herausfinden und ihre Probleme aus eigener Kraft lösen. Ich wollte ihr einfach nicht ständig Hinweise geben, sondern erreichen, dass sie eines Tages auf eigenen Füßen stehen kann, ohne auf mich angewiesen zu sein, denn wenn ich ehrlich bin, habe ich meine Zweifel, ob ich noch lange auf dieser Welt sein werde. Mir könnte schließlich jederzeit etwas zustoßen. Natürlich gilt das für jeden Menschen, doch bei mir ist das Risiko, einen tödlichen Unfall zu haben, schlichtweg höher, weil ich jederzeit und von einer Sekunde auf die andere zusammenbrechen kann.
    Schon bevor ich krank wurde, hatte ich mir geschworen, dass ich ihr nicht einfach alles kaufen würde, was sie sich wünschte. Nein, sie sollte für alles arbeiten, damit sie erfuhr, was die Dinge wert sind. Ich habe Sienna auch nichts davon erzählt, wie oft sie andere Leute loben, denn ich möchte, dass sie sich ihrer Talente
    und ihres Wertes selbst bewusst wird. Ich möchte, dass sie sich mit der Zeit selbst erkennt.
    Ich hoffe, das ergibt einen Sinn und klingt nicht nur so, als wäre ich ein außerordentlich selbstsüchtiger Vater. Ich meine, wenn sie in Schwierigkeiten geriete, wäre ich natürlich zur Stelle und würde sie herausholen. Aber solange es nicht dringend ist, sehe ich es lieber, wenn sie ihren eigenen Weg geht, denn das macht sie stark. Doch ich beobachte sie wie ein Falke, bereit, mich herabzustürzen, sollte es nötig sein. Damit es nicht zu Missverständnissen kommt: Normalerweise beobachte ich nur (solange ich nicht schlafe – dann lausche ich nur), aber jetzt stecke ich in der Zwickmühle. Da ist etwas, weswegen ich hin- und hergerissen bin.
    Sie ist mit einem gewissen Nick befreundet; Nick ist jemand, den sie auf der Arbeit kennengelernt hat. Er ist Grafikdesigner in dem Verlag, für den sie schreibt, und sie verehrt ihn. Sie liebt ihn sogar. Sienna ist noch jung, aber ich glaube, ich kann ohne Weiteres behaupten, dass Nick für sie jemand ganz Besonderes ist. Nur will sie es nicht zugeben … Ich habe ihn erst gestern kennengelernt, als er bei uns aufkreuzte, um auf dem Weg in die Stadt »eine CD vorbeizubringen«.
    Nun, ich bin selbst ein Mann, und auf keinen Fall war Nick einfach so zufällig unterwegs zu einem Einkaufsbummel. An seinem benebelten Blick und seinem schüchternen Verhalten, das er an den Tag legte, kaum dass ich die Tür öffnete, habe ich deutlich erkannt, dass er Sienna liebt. Ein verliebter Mann sieht nun einmal so aus – und auf mich machte er einen sehr patenten Eindruck.
    Sienna war nicht zu Hause, und es kam zu einer Art Zwischenfall: Ich brach zusammen. Wie es scheint, hat Sienna
    meine Krankheit gegenüber Nick mit keinem Wort erwähnt,
    denn der arme Kerl glaubte, ich hätte einen Herzanfall. Er schrie wie am Spieß. »Panik« reicht als Beschreibung dafür kaum aus. Er machte meinen Zustand nur schlimmer, denn je länger ich ihm
    zurufen wollte, dass mit mir alles in Ordnung sei, desto mehr regte ich mich auf, und desto tiefer schlief ich. Da lag ich und konnte meinen Körper nicht bewegen, aber ich konnte alles hören. Alles.
    Und er sagte etwas. Er sagte zu mir, dass er Sienna liebe. Ich bin mir sicher, dass ich ihn nicht falsch verstanden habe. Er flehte mich an, und
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