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Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I
Autoren: Y.S. Lee
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vertan. Sie eilte durch die Küche und zur Hintertür hinaus. Auf dem Weg über den Hof stellte sie beiläufig fest, dass die Kutsche fort war. Die Bedeutung dessen war ihr nicht sofort klar.
    Jetzt hatte sie doch einmal ein wenig Glück. Diemännlichen Bediensteten waren nicht zu sehen, aber in der hintersten Ecke entdeckte sie die wartende Cass Day. Mary ging langsam auf sie zu, als würde sie sich einem verschreckten Tier nähern, und ließ Cass als Erste das Wort ergreifen.
    »Tut mir leid, dass ich davongelaufen bin, Miss«, sagte die Kleine schließlich mit belegter Stimme.
    »Habe ich dir Angst gemacht?«
    Cass sah nervös zur Seite. »Nicht Sie, Miss. Ich meine   – nichts, was Sie gemacht haben. Es war einfach dumm.« Nach einer beklommenen Pause stieß sie hervor: »Die anderen Mädchen haben ständig über weißen Sklavenhandel getuschelt, Miss, und erzählt, dass er von ganz anständig wirkenden Damen betrieben wird. Sie sind ganz voll davon, wirklich, und als Sie   – ich meine, als ich   – äh   …«
    Mary riss erstaunt die Augen auf. »Du hast geglaubt, dass ich dich entführen will?«
    Cass wurde rot wie eine Tomate. »Ich hab gedacht, deshalb wären Sie so nett zu mir. Ich hab mir nicht vorstellen könne, warum ’ne Dame nett zu mir sein soll, außer wegen dem.«
    Mary verspürte warmes Mitleid mit der Kleinen. Hatte sie Anne Treleaven vor Jahren nicht das Gleiche vorgeworfen?
    »Das heißt doch wohl, dass ich zu dumm bin, um zur Schule zu gehen   … oder?« Trotz der Worte schien das Mädchen hoffnungsvoll.
    »Hast du noch mal darüber nachgedacht, zur Schule zu gehen?«
    Cass nickte so eifrig, dass ihre Haare wild herumflogen. »Ich will schon   … wenn ich noch kann. Wenn Sie mir nicht zu böse sind.«
    »Ich bin dir nicht böse, und in der Schule, die ich erwähnt habe, gibt es noch Platz.«
    »Ich streng mich auch an, das versprech ich. Ich bin nicht klug, Miss, aber ich tu mein Bestes, das schwör ich   …«
    Mary legte ihr die Hände auf die Schultern. »Versprich es nicht mir, Cass. Halte dich nur selber daran.«
    Cass nahm das mit großen Augen auf. Dann nickte sie. »Sie sind so gut zu mir, Miss Quinn.«
    »Bist du sicher, dass ich keine weiße Sklavenhändlerin bin?«, sagte Mary lächelnd.
    Cass wurde tiefrot. Dann lachte sie halbherzig über sich selbst. Das Lachen war ein dünnes, behutsames Quieken, ein Geräusch, dem man entnehmen konnte, dass sie es nicht gewohnt war zu lachen. Immerhin war es das erste Mal, dass Mary sie lachen hörte. »Ja, Miss.«
    ***
    Sie saßen in einer Droschke nach St. John’s Wood, als Cass ein Notizbüchlein hervorzog. »Ich glaub, ich bin ziemlich dumm, Miss Quinn, weil   – die Zahlen und ein paar Buchstaben kann ich ja, aber das hier ergibt einfach keinen Sinn für mich.«
    Mary nahm das Büchlein zögernd entgegen. Jetzt, nachdem ihr Auftrag ein Ende gefunden hatte, warsie erschöpft. In ihrem Kopf wirbelten alle möglichen Informationen durcheinander, die sie einfach nicht zu einem zusammenhängenden Ganzen verbinden konnte. Und sie wollte eigentlich lieber allein sein und über ihren Vater nachdenken.
    Cass sah sie jedoch erwartungsvoll an. Mary schlug das Büchlein auf und überflog die Seiten mit Zahlenreihen. »Das ist eine Bilanzaufstellung, Cass. Da stehen die Geldsummen eines Unternehmens, die ein- und ausgehen.« Sie deutete auf eine beliebige Seite. »Schau mal: Hier steht ein Datum, gefolgt von verschiedenen Einträgen über Einnahmen und Ausgaben mit einem Gesamtprofit von vierhundertzweiundsechzig Pfund, acht Schillingen und vier Pence. Das versteht man eigentlich nur dann, wenn man ein bisschen Buchhaltung gelernt hat.«
    Cass sah sie bestürzt an. »Muss ich das auch lernen?«
    »Wenn du möchtest«, murmelte Mary gedankenverloren und blätterte weiter.
    »Können das alle Damen?«
    »Die meisten nicht. Das ist die Arbeit von Buchhaltern und es gibt kaum weiblichen Buchhalter.«
    Cass sah immer noch verständnislos drein.
    Mary überflog noch weitere Einträge, dann sah sie sich die erste und die letzte beschriebene Seite an. Die Aufzeichnungen umfassten mehr als zwei Jahre und waren pedantisch sorgfältig. Jemand musste verzweifelt nach diesem Ding suchen. »Cass, wem gehört das Notizbuch?«
    Cass sah sofort schuldbewusst aus. »Ich   – ich weiß nicht, Miss.«
    »Aber du hast doch gerade gefragt, ob Damen sich mit Buchhaltung auskennen   …«
    »Ich meine, ich hab’s gefunden, Miss.«
    »Wo?«
    »N-neben den
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