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Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I

Titel: Ein verhängnisvoller Auftrag Meisterspionin Mary Quinn I
Autoren: Y.S. Lee
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gegenseitigen Argwohn. Und er würde ihr fehlen.
    Egal. Als Mary in Limehouse aus der Pferdekutsche stieg, verdrängte sie die Gedanken an James, die Agentur und die Thorolds. Sie hatte heute endlich frei und konnte an ihre eigenen Interessen denken. Als sie sich dem Laskarenheim näherte, wurde das Flattern in der Magengegend stärker. Es gab keinen Grund zu vermuten, dass sie die Zigarrenkiste noch finden könnte. Mr Chens Büro war gründlich durchwühltworden. Aber sie würde nicht ruhen können, bis sie sich selbst überzeugt hatte.
    Mary war schon fast bei dem Wohnheim, als sie eine kleine Anzahl von asiatischen Männern sah, die Eimer und Kisten von Gerümpel aus der Haustür zu einem großen Wagen trugen, der die Straße versperrte. Sie bewegten sich langsam, viele von ihnen waren anscheinend schon von Arthritis geplagt. Ein weißer junger Mann mit Melone gab ihnen Anweisungen.
    Der junge Mann entdeckte Mary und kam angelaufen. »Ab hier ist gesperrt, Miss.«
    Sie kämpfte gegen eine Welle der Übelkeit an. »Entrümpeln Sie das ganze Gebäude?«
    Er nickte. »Am Wochenende hat’s da gebrannt. Alles, was drin war, ist hin, aber Gott sei Dank ist das Gebäude verschont geblieben.«
    »
Alles
, was drin war? Das wird alles einfach weggeschmissen?« Ihre Stimme klang hoch und dünn.
    »Es war nichts dabei, was man noch hätte gebrauchen können«, verteidigte sich der Aufseher, »außer ein paar klapprigen Möbeln. Die hat der Schrotthändler schon geholt. Denken Sie nur, das ist schon die dritte Wagenladung heute! Ja, ja, wir sind sehr fleißig gewesen   …« Er gab den Männern wieder ein paar Anweisungen. Worte, die sie zwar hörte, deren Sinn jedoch nicht bis zu ihr durchdrang.
    »Wie schade«, brachte sie schließlich würgend hervor. Das war’s dann: Die Hinterlassenschaft ihres Vaters war endgültig verloren. Sie hatte nicht mal dieGelegenheit gehabt, sich die Dokumente in der Zigarrenkiste anzusehen.
    »Das ist nicht schade, Miss«, schalt sie der junge Mann. »Das ist Glück im Unglück. Der Herr gibt, der Herr nimmt, und hier hat er uns eine neue Möglichkeit geboten. Das Haus muss renoviert werden und diese alten Männer brauchen Arbeit. Na bitte, so fügt sich eins zum anderen!«
    Sie nickte zögernd.
    »Wir müssen allerdings neue Geldmittel finden, weil wir einen unserer Wohltäter kürzlich verloren haben, aber   …« Munter plauderte er drauflos, über Geldbeschaffung und Pläne einer famosen Sanierung.
    »Was ist mit Mr Chen passiert?«, unterbrach ihn Mary.
    »Der alte Mann, der hier nach dem Rechten gesehen hat? Ach,
das
war wirklich schade. Muss am Rauch erstickt sein, obwohl   – unter uns gesagt«   – der junge Mann beugte sich vertraulich vor   – »das war kein zu großer Verlust. Der Mann war angeblich opiumsüchtig.«
    »Das stimmt nicht!«
    Er sah sie herablassend an. »Tja, Beweis ist Beweis, egal, was Sie gerne von ihm halten möchten. In seinem Zimmer war eine riesige Drogenpfeife, als er starb. Aber er kriegt trotzdem ein anständiges christliches Begräbnis!«
    Mary wandte sich ab.
    »Hören Sie!«, rief er ihr nach. »Nun seien Sie doch nicht gleich böse. Wie heißen Sie eigentlich?«
    Sie ließ seine Rufe unbeachtet. So schnell sie konnte, lief sie davon, taub und blind für alles um sie herum. Doch als sie zum Victoria Park kam, blieb sie plötzlich stehen. Sie wusste nicht recht, was sie tun oder wohin sie gehen sollte.
    Sie hatte den Kampf gegen die Tränen gerade gewonnen, als jemand sie leicht am Ellbogen berührte. Sie drehte sich um und stand dem Unausweichlichen gegenüber.
    Er sah elegant aus und trug einen gut geschnittenen Anzug und gewienerte Stiefel. Als er seinen dunklen Blick über sie gleiten ließ, wollte sie am liebsten davonlaufen. Sie trug ein altes, verschossenes Kleid; ihr Haarknoten löste sich etwas auf; und zu allem Übel war ihr noch heiß und sie schwitzte.
    »Guten Tag«, sagte sie und spürte gleich, wie unzulänglich das klang.
    »Ich bin Ihnen eine Weile nachgegangen, aber Sie haben mich nicht rufen hören. Alles in Ordnung?«
    Sie nickte.
    »Sie sind vom Laskarenheim gekommen?«
    »Waren Sie auch dort?«
    »Ich habe gehofft, dass ich Mr Chen die letzte Ehre erweisen könnte.«
    Schweigen dehnte sich zwischen ihnen aus.
    »Sie sehen ja wieder ganz gesund aus«, murmelte sie schließlich. »Tut Ihr Kopf noch weh?«
    Er verneinte. »Das war nichts Schlimmes: ein paar angebrochene Rippen, Kopfschmerzen. Nichts Ernstes.«Es entstand eine
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