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Ein verboterner Kuss

Titel: Ein verboterner Kuss
Autoren: Anne Gracie
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Sir John brieflich und in aller Kälte mitgeteilt, dass es nur eine Scheinehe sein würde. Gleich nach der Trauung würden er und seine Braut getrennte Wege gehen. Er besaß eine eigene Schiffsflotte und hatte nicht vor, in England zu bleiben.
    Melly war todunglücklich. „Das heißt, ich werde ein Haus in London und sehr viel Geld haben, aber niemals Kinder, Grace! Und du weißt, wie sehr ich mir immer Kinder gewünscht habe. Ich liebe Kinder! “ Dabei war sie in Tränen ausgebrochen.
    „Dein Vater liebt dich, er wird dich nicht zwingen, einen solchen Mann zu heiraten“, hatte Grace sie getröstet. „Weigere dich einfach, dich darauf einzulassen. “
    „Doch, das wird er! Er wird mich zwingen. Mein Vater ist in dieser Angelegenheit unerbittlich, so habe ich ihn noch nie gesehen.“ Melly hatte ihre verweinten Augen mit einem zerknüllten Taschentuch abgetupft. „Hilf mir, Grace, ich flehe dich an!“
    Und da sie Melly schon seit Schulzeiten immer beschützt hatte - auch weil geistige Umnachtung in ihrer Familie vorkam! -, hatte Grace ihr versprochen, alles zu tun, was in ihrer Macht stand.
    Deshalb unternahm sie jetzt diese schreckliche Reise, grau gekleidet und mit hässlichen, „vernünftigen“ Lederstiefeletten an den Füßen, und spielte Mellys Gesellschaftsdame. Unfassbar. Unter anderen Umständen hätte sie sich zu diesem Zeitpunkt auf eine aufregende Reise nach Ägypten mit Mrs Cheever vorbereitet, einer reichen Witwe und Cousine von Mr Henry Salt, dem britischen Generalkonsul in Ägypten und Experten für ägyptische Altertümer. Wegen dieser traumhaften Beziehungen hatte Grace erwartet, eine wundervolle Zeit vor sich zu haben.
    Doch das musste nun warten, Mellys Sorgen hatten Vorrang.
    Durch die Kutsche ging ein Ruck, wodurch sie ins Schwanken geriet. Es gab einen dumpfen Aufprall, dann ertönte erschrockenes Gegacker und ein paar Federn segelten durch das offene Fenster. Dieser elende Kutscher war ungebremst in eine Schar Hühner gefahren, und dem Aufprall nach war dabei mindestens eins dieser armen Tiere zu Tode gekommen.
    Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Grace streckte den Kopf weit zum Fenster hinaus und schrie den Postillion wütend an, gefälligst langsamer zu fahren. Er zeigte zum Himmel und brüllte etwas zurück. Sie konnte ihn nicht verstehen, aber die dicken schwarzen Wolken vor ihnen sprachen für sich. Er versuchte noch rechtzeitig Wolfestone Castle zu erreichen, ehe das Unwetter losbrach. Die Straße war so schon schlecht genug. Sobald es zu regnen anfing, würde sie sich in einen einzigen Morast verwandeln, in dem die Kutsche durchaus stecken bleiben konnte. Widerwillig zog  Grace den Kopf wieder ein.
    Sir John schüttelte den Kopf. „Greystoke, Greystoke, Greystoke. Es steht Ihnen nicht zu, sich einzumischen“, teilte er ihr matt mit. „Lady Augusta erwartet, dass wir Ihnen anständiges Verhalten beibringen, und ich sage Ihnen - keine Dame würde jemals den Kopf zum Kutschenfenster hinausstrecken.“ Er bedachte sie mit einem tadelnden Blick. „Erst recht würde sie niemals derart schreien.“
    „Ja, Sir John. Verzeihung, Sir John“, zwang Grace sich kleinlaut zu antworten. Er sah sie streng an und nickte schließlich, als wäre er zufrieden, dass sie sich seine Worte zu Herzen genommen hatte. Danach schloss er wieder die Augen.
    Es fiel ihr schwer, sich darauf zu besinnen, dass sie jetzt Greystoke war und die Rolle eines der Waisenmädchen ihrer Tante Gussie spielte, die zu Gesellschaftsdamen ausgebildet werden sollten.
    Sir John hätte niemals Miss Grace Merridew von den Merridews aus Norfolk, den Liebling der feinen Londoner Gesellschaft, auf diese erbärmliche Reise mitgenommen. Doch als Mellys Zofe gekündigt hatte, weil sie eine besser bezahlte Stellung gefunden hatte, war für die beiden jungen Frauen der entscheidende Augenblick gekommen. Melly brauchte weibliche Gesellschaft auf dieser Reise, und weil Grace in der Rolle eines in der Ausbildung befindlichen Waisenmädchens auftrat, dessen Dienste noch unentgeltlich waren, hatte Sir John die Gelegenheit beim Schopf ergriffen.
    Grace warf Sir John einen Blick zu. Er saß immer noch zurückgelehnt mit geschlossenen Augen da, sein Gesicht war bleich. Ein feiner Schweißfilm bedeckte seine Stirn, und er sah fast so krank aus wie seine Tochter. Gut so, dachte Grace zornig. Es sollte ihm ruhig schlecht gehen, nach allem, was er Melly angetan hatte.
    Grace konnte es einfach nicht verstehen. Mellys
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