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Ein Vampir für alle Fälle

Ein Vampir für alle Fälle

Titel: Ein Vampir für alle Fälle
Autoren: Charlaine Harris
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zog ein Taschentuch hervor und tupfte sich den Mund ab.
    Entschuldigen würde ich mich nicht. Leute, die sich im Dunkeln einfach von hinten an mich heranschleichen, haben verdient, was sie bekommen. Aber dann dachte ich noch mal nach. Vampire bewegten sich nun einmal lautlos. »Tut mir leid, dass ich gleich mit dem Schlimmsten gerechnet habe«, sagte ich, was irgendwie eine Art Kompromiss war. »Ich hätte mich erst umdrehen und nachsehen sollen, wer es ist.«
    »Nein, dann hätte es schon zu spät sein können«, meinte Jonathan. »Eine Frau allein unterwegs muss sich verteidigen.«
    »Danke für Ihr Verständnis«, sagte ich vorsichtig und blickte in den Schatten hinter ihm, ohne eine Miene zu verziehen. Was mir nicht allzu schwerfiel, weil ich in den Gedanken der Menschen ständig so viele erschreckende Dinge lese. Dann sah ich ihm direkt ins Gesicht. »Haben Sie... Was machen Sie eigentlich hier?«
    »Ich bin auf der Durchreise und war als Gast von Hamilton Tharp auf der Hochzeit«, erklärte Jonathan. »Ich halte mich mit Eric Northmans Erlaubnis im Bezirk Fünf auf.«
    Ich hatte keine Ahnung, wer dieser Hamilton Tharp war - vermutlich irgendein Freund der Bellefleurs. Aber Eric Northman kannte ich sehr gut. (Eine Zeit lang hatte ich sogar jedes einzelne Detail von Kopf bis Fuß von ihm gekannt.) Eric war der Sheriff von Bezirk Fünf, einem großen Gebiet im Norden von Louisiana. Und wir waren auf komplizierte Weise aneinander gebunden, was ich beinah täglich höllisch bedauerte.
    »Eigentlich wollte ich nur wissen - warum sind Sie mir überhaupt gefolgt?« Ich wartete, den Schlüsselbund noch in der Faust. Im Notfall würde ich ihm eins auf die Augen verpassen, beschloss ich. Sogar Vampire haben Schwachstellen.
    »Ich war neugierig«, sagte Jonathan schließlich und hielt die gefalteten Hände vor sich. So langsam wurde mir dieser Vampir richtig unsympathisch.
    »Warum?«
    »Nun, ich habe im Fangtasia Leute über eine Blondine reden hören, von der Eric Northman angeblich sehr viel hält. Aber Eric ist so ein hochnäsiger Typ, dass es mir völlig abwegig erschien, er könne sich für eine Menschenfrau interessieren.«
    »Und woher wussten Sie, dass ich heute Abend hier auf dieser Hochzeit sein würde?«
    Seine Augen flackerten. Mit weiteren Fragen von mir hatte er nicht gerechnet. Er war davon ausgegangen, dass er mich beruhigen könnte, ja mir vielleicht schon in diesem Moment mit einem betörenden Vampirblick seinen Willen aufzwingen würde. Doch das funktionierte bei mir nicht.
    »Diese junge Frau, die für Eric arbeitet, sein Geschöpf Pam, hat es erwähnt«, sagte er.
    Der lügt wie gedruckt , dachte ich. Ich hatte Pam seit zwei Wochen nicht gesprochen, und unser letztes Gespräch war nicht gerade eine nette Plauderei unter Mädels über mein Arbeits- und Privatleben gewesen. Pam hatte noch immer mit den Wunden zu tun gehabt, die sie sich in Rhodes zugezogen hatte. Ihre Genesung und die von Eric und der Königin, das war das einzige Thema unseres Gesprächs gewesen.
    »Natürlich«, sagte ich nur. »Also dann, gute Nacht. Ich muss los.« Und mit diesen Worten schloss ich mein Auto auf und stieg ein, wobei ich Jonathan im Auge behielt für den Fall, dass er irgendein krummes Ding versuchen sollte. Aber er stand nur reglos wie eine Statue da und nickte mir noch einmal zu, als ich den Motor anließ und davonfuhr. Erst beim nächsten Stoppschild legte ich den Sicherheitsgurt an. Solange Jonathan in der Nähe gewesen war, hatte ich mich nicht so im Sitz fixieren wollen. Ich verriegelte die Autotüren von innen und sah mich um. Kein Vampir weit und breit. Herrje, das war ja wirklich sehr seltsam , dachte ich. Vielleicht sollte ich besser Eric anrufen und ihm den Vorfall schildern.
    Was das Seltsamste daran gewesen war: Der runzlige Mann mit dem langen hellen Haar hatte die ganze Zeit im Schatten hinter dem Vampir gestanden. Unsere Blicke waren sich nur einmal kurz begegnet. Sein schönes Gesicht war undurchdringlich gewesen, doch ich hatte gewusst, dass ich seine Anwesenheit nicht preisgeben sollte. Ich hatte seine Gedanken nicht lesen können und trotzdem hatte ich es gewusst.
    Am seltsamsten aber war, dass Jonathan ihn nicht bemerkt hatte. Wenn ich bedachte, wie hervorragend der Geruchssinn von Vampiren war, erschien mir seine Ahnungslosigkeit geradezu grotesk.
    Ich dachte immer noch über diesen seltsamen kleinen Vorfall nach, als ich von der Hummingbird Road in die lange Auffahrt einbog, die durch den Wald
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