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Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot

Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot

Titel: Ein unmoralisches Sonderangebot - Gier, K: Unmoralisches Sonderangebot
Autoren: Kerstin Gier
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beneideten.
    »Herrgott, willst du wirklich so gehen?«, fragte Stephan.
    »Du hast es ja nicht anders gewollt.« Ich zog mir meine Schuhe an. »Von mir aus können wir los!«
    »Mir soll’s egal sein. Du bist diejenige, die sich blamiert, nicht ich.« Stephan wandte sich kopfschüttelnd ab und suchte nach seinem Autoschlüssel. Er war wie immer tadellos gekleidet, in Jeans und Polo-Shirt, beides mit prestigeträchtigen Labels versehen. Stephan ließ sich sein gutes Aussehen gerne etwas kosten. Mit einem bisschen guten Willen und dem Geld, das er für seine Schuhe hingeblättert hatte, hätte man vermutlich das Schlafzimmer renovieren können. Wobei ich fairerweise hinzufügen muss, dass er sich in den anderthalb Jahren, in denen wirdie Ruine bewohnten, genauso wenig neue Schuhe gekauft hatte wie ich. Wovon auch? »Wo ist der verdammte Schlüssel?«
    »Ha, ha, du Lahmarsch«, sagte ich. »Ich zähle bis zehn, und wenn du bis dahin die Schlüssel nicht gefunden hast, reiche ich morgen früh die Scheidung ein …«
    Später im Auto tat es mir Leid, dass ich mich so hatte hetzen lassen. Ich konnte mir jetzt schon die befremdeten Blicke meiner Schwägerinnen vorstellen, die eine wie immer von Kopf bis Fuß in gebügeltem Pastell, die andere in Designerschwarz. Ich war ganz sicher die Einzige, die sich in eine viel zu enge Jeans gequetscht hatte und ein ebenso enges T-Shirt mit der Aufschrift: »Ich bin dreißig – bitte helfen Sie mir über die Straße« trug.
    Nun ja, aber dafür war ich erwiesenermaßen kein Lahmarsch.

2. Kapitel
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    I m Gegensatz zu unserem Haus war das Haus meines Schwiegervaters in allerbestem Zustand. Es war eine rosafarbene Villa, in allerschönstem Zuckerbäckerstil, mit viel Stuck, Erkern, Rundbogenfenstern, Türmchen und – als Krönung – zwei dicken, verschmitzt grinsenden Engelchen über dem Eingangsportal. Die Villa war nicht antik, sondern in den Sechzigerjahren für den hiesigen Sparkassendirektor erbaut worden, der, wie sich später herausstellte, das Geld für den Prachtbau hinterzogen hatte. Statt ins Gefängnis war der Direktor aber nur für ein paar Jahre in die Psychiatrie gewandert, was meinen Schwiegervater nicht weiter verwunderte. »Dass der Mann vollkommen irre war, sieht man ja an dem Irrenhaus«, pflegte er zu sagen. Meine Schwiegermutter hatte auf dem Erwerb des irren Hauses bestanden, als es zur Versteigerung anstand, und es war eine der wenigen Angelegenheiten, in denen sie ihre Wünsche durchgesetzt hatte. Irre hin, irre her, es war ein wunderbares Haus, um eine Schar Kinder darin großzuziehen und eine Menge Gäste zu empfangen. Mein Schwiegervater konnte es nicht ausstehen, er nannte es »diese grässliche geschmacklose Marzipanhochzeitstorte, in der ich gezwungen bin zu hausen«. Aus irgendeinem Grund behielt er die Hochzeitstorte aber, obwohl sie für ihn allein viel zu groß war und ihre Instandhaltung weit mehrkostete, als der alte Geizkragen eigentlich zu zahlen bereit war.
    Wie jeden Sonntag war Stephans gesamte Familie vollzählig angetreten. Stephans jüngere Schwester Katinka (in Pastellrosa, passend zum Außenputz) arrangierte in der Küche Aufschnitt auf einem Teller, während ihre Kinder versuchten, meinen Schwiegervater zu erklettern, der wie ein Eisberg auf seinem Lieblingssessel saß und die Sonntagszeitung las. Die Kinder hießen Till, Lea und Jan, was eigentlich knapp und einprägsam war, aber mein Schwiegervater nannte sie trotzdem nie anders als »Dings, »Dings« und »Dings«, wenn er sie denn überhaupt nannte.
    Wie immer ignorierte er seinen Besuch so lange wie möglich. Außer zu seiner Familie pflegte er nur noch Kontakt zu einer Hand voll Herren seines Alters, die Stephan den »Club der scheintoten Geizhälse« nannte. Ich vermutete, dass sie zusammen Doppelkopf spielten, Asbach Uralt tranken und sich gegenseitig mit den vielen, vielen Nullen ihres Gesamtvermögens beeindruckten. Aber Stephan meinte, dass sich die ehemaligen Direktoren, Chefärzte und Firmenbosse zu konspirativen Treffs zusammenfanden, bei denen sie über Mittel und Wege nachsannen, die Langeweile des Pensionsalters zu überbrücken, am liebsten, ohne Geld auszugeben.
    »Es fehlt ihnen einfach, dass sie nun keine Leute mehr herumkommandieren und schubsen können«, sagte er. »Besonders meinem Vater.«
    »Aber dafür hat er doch uns«, sagte ich.
    »Uns hat er doch auch vorher schon herumgeschubst«, meinte Stephan da. Das stimmte allerdings. Der Mann war der geborene
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