Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein unerhörtes Angebot

Ein unerhörtes Angebot

Titel: Ein unerhörtes Angebot
Autoren: MARY BRENDAN
Vom Netzwerk:
Raum, in dem trotz des trüben Lichts an diesem bewölkten Nachmittag keine Kerze brannte. Dennoch konnte er ihre schönen Augen sehen, mit denen sie ihn misstrauisch beobachtete.
    „Ich sagte ihm, ich sei Mrs. Marlowe, geborene Kingston“, antwortete Helen. „Ich begreife nicht, wie das zu einer Verwechslung führen konnte.“
    Jason nickte verstehend. Nun war ihm klar, wie es zu dem bedauerlichen Irrtum hatte kommen können. Helen Marlowe besaß eine sanfte, melodische Stimme. „Marlowe, geborene“ musste in den tauben Ohren des Butlers wie „Margo Renée“ geklungen haben. „Cedric hat Sie mir als Mrs. Kingston angekündigt.“
    „Warum? Ist er schwerhörig?“
    „Ein wenig“, gab Jason mit einem kläglichen Lächeln zu. „Was allerdings auch keine Entschuldigung dafür ist, meine Anordnung, den Gast in den kleinen Salon zu führen, so falsch auszulegen. Der Vorfall wird nicht unbestraft bleiben. Ich habe seine exzentrische Art viel zu lange geduldet. Es wird Zeit, dass ich mich mit dem Gedanken anfreunde, ihn zu entlassen.“
    „Das möchte ich auf keinen Fall“, protestierte Helen. „Er ist ein alter Mann, und ich bezweifle, dass er eine neue Position finden würde, besonders wenn er auch noch schwerhörig ist.“ Sie bedachte Jason mit einem vernichtenden Blick. „Und selbst wenn die Sache mit der Garderobe nicht Ihre Idee war, bin ich sicher, dass Sie mich absichtlich so lange warten ließen.“
    Angesichts ihres trotzig erhobenen Kinns bedauerte Jason, dieses stolze Wesen einer solchen Demütigung ausgesetzt zu haben. „Ich fürchte, Sie haben recht“, gab er ehrlich zu. „Und ich hoffe, es findet sich ein Weg, wie ich es wiedergutmachen kann. Ich möchte nicht, dass Sie denken, ich wäre zu kleinlicher Boshaftigkeit fähig, nur weil Ihr Bruder und ich eine Meinungsverschiedenheit hatten.“
    Helen hielt seinem Blick stand.
    „Das denken Sie doch, nicht wahr?“
    „Das dachte ich“, räumte Helen ein, „bis Sie die Angelegenheit aufklärten.“
    Jason fragte sich, warum er nicht die Erleichterung verspürte, die er erwartet hatte. „Und was denken Sie jetzt?“
    „Dass Sie glaubten, meine Schwägerin würde Ihnen einen Besuch abstatten, und Sie sie bestrafen wollten, indem Sie sie warten ließen. Warum? Ein kleiner Streit unter Liebenden?“

4. KAPITEL

    „Unter Liebenden?“
    Jason wiederholte die Worte leichthin, so, als interessiere ihn das Thema nicht weiter, doch sein Blick wurde hart und kühl.
    Helen schluckte trocken und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Eben hatte er noch behauptet, er wolle sein schlechtes Benehmen wiedergutmachen, eine unerwartete, indes überaus erfreuliche Wendung der Dinge. Ein Gefallen von ihm war schließlich genau das, was sie hatte erreichen wollen. Aber vornehme Damen, selbst wenn sie verarmt waren wie Helen, sprachen nicht über die Mätresse eines Gentleman. Mit einer solchen Unverschämtheit würde sie sich sein Wohlwollen eher verscherzen.
    Sir Jasons Gesicht lag im Schatten, dennoch bemerkte Helen das spöttische Lächeln um seine Lippen und zuckte unmerklich zusammen. Offenbar hat Iris es also tatsächlich geschafft, seine Geliebte zu werden, dachte sie und erinnerte sich an Georges Worte, dass die beiden kein Hehl aus ihrer Affäre machten. Die Gerüchte darüber mussten jedermann zu Ohren gedrungen sein, und Jason konnte kaum von ihr erwarten, dass sie die Unwissende spielte. „Ich fürchte, ich kann nicht vorgeben, den Klatsch über Sie und meine Schwägerin nicht zu kennen, Sir. Ich habe gehört …“ Ein neuer Gedanke ließ sie stocken und ausrufen: „Sie denken doch nicht etwa, dass ich mich absichtlich als Iris ausgegeben habe in der Hoffnung, mit dieser List über Ihre Schwelle zu gelangen?“
    „Wenn Sie sich schlicht als Mrs. Marlowe angemeldet hätten, wären Sie nicht nur höflich behandelt, sondern auch umgehend empfangen worden.“
    Helen schüttelte ungläubig den Kopf. „Sie hätten doch gar nichts mit dem Namen anfangen können. Als wir uns noch kannten, hieß ich Miss Kingston.“
    „Seien Sie versichert, dass mir bewusst gewesen wäre, wer Sie sind“, erklärte er mit rauer Stimme.
    Helen sah ihn verwundert an und fragte sich, wieso er sie nicht für ihre ungehörigen Bemerkung über seine Tändelei mit Iris zurechtwies. Zweifellos hielt er es für unter seiner Würde, sie deswegen zu tadeln. Trotzdem mussten ihre Worte ihn getroffen haben. Seine äußere Gelassenheit konnte nicht ganz verbergen, dass er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher