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Ein tüchtiges Mädchen

Ein tüchtiges Mädchen

Titel: Ein tüchtiges Mädchen
Autoren: Berte Bratt
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und Order vom Boden abwarten.“
    Die Passagiere wandten sich an die Stewardessen:
    „Werden wir landen können?“
    „Das wissen wir noch nicht.“
    Du lieber Himmel! Wieder Ungewißheit, wieder Angst!
    Die Minuten vergingen, Gerd war still. Helge Jerven sah sie von der Seite an. Das kleine Gesicht war so blaß, die Augen starrten unausgesetzt ins Dunkle.
    Vor ihnen schlief der kleine Junge, und die Mutter hatte ebenfalls den Kopf zurückgelehnt. Die Plätze hinter ihnen waren unbesetzt, seitwärts klafften auch zwei leere Sitze. Jerven hatte das sonderbare Gefühl, in einem dunklen, leeren Raum allein mit diesem jungen Mädchen zu sein.
    Es ergab sich ganz natürlich, daß er seine Hand auf die ihre legte und fragte: „Ist Ihnen bange?“
    Seine Stimme war leise und voller Güte.
    Sie wandte den Kopf und schenkte ihm ein angestrengtes kleines Lächeln.
    „Sehe ich denn so aus?“
    „Ja, als sei Ihnen zum Bewußtsein gekommen, daß wir wie ein Pünktchen in der Luft schweben und nicht wissen, was aus uns wird.“
    Gerd nickte. „Und wenn was passieren würde, so könnten wir nicht hinuntergehen.“
    „Sie haben also doch Angst?“
    Eine feine Röte stieg in ihre Wangen. „Lachen Sie nicht über mich, aber ich habe wirklich ein bißchen Angst. Nein, eigentlich nicht Angst – aber – “
    „Ich verstehe. Und ich lache auch nicht über Sie – “
    Der Druck seiner Hand wurde fester und nun auch erwidert.
    Er blickte in das Gesicht unter dem hellen Haar. Es war so klein, schmal und blaß.
    Wie allein waren sie. So allein, daß es ganz selbstverständlich und natürlich war, daß er seinen Arm unter ihren Nacken schob.
    „So – lehnen Sie sich zurück, und entspannen Sie sich.“
    Es tat gut, sich an den sicheren Arm zu drücken. Das unheimliche Gefühl verging, und Gerd lächelte.
    „Jetzt geht’s mir wieder besser. Nein, wie dumm ich doch war!“
    „Durchaus nicht!“
    Nach etwa 20 spannenden Minuten kam endlich ein Bescheid im Lautsprecher:
    „Leider ist es unmöglich zu landen. Kastrup ist völlig vernebelt. Wir müssen nach Aalborg zurückfliegen.“
    „Ach nein!“ brach es aus Gerd heraus. Sie sah die Stewardeß flehend an, die gerade vorbeiging.
    Die Stewardeß hob bedauernd die Schultern. Dann ging sie weiter.
    Gerd sah Helge Jerven mit erschrockenen Augen an. „Ist das denn so katastrophal für Sie?“ erkundigte er sich.
    „Ach, Sie wissen ja nicht! Sie wissen nicht, was davon abhängt! Diese ganze Flugtour ist vergebens, die ganze Reise. Ich muß, muß in Hamburg sein, morgen früh um neun Uhr!“
    „Vielleicht können wir morgen ganz frühzeitig starten, und ist Kastrup erst wieder nebelfrei, können Sie sicher ein Taxiflugzeug bekommen.“
    Gerd biß sich in die Lippen. Die Triebwerke sangen ihre gleichmäßig dunkle Melodie und trugen die Maschine nordwärts in die pechschwarze Nacht.

3
     
     
    Gerd warf sich im Bett herum. Sie konnte nicht schlafen.
    „Start morgen früh, 8 Uhr“, hatte der Chefpilot gesagt. Bis zu dieser Zeit mußte sich doch der Nebel über Kastrup gelichtet haben!
    Dann wurden die Passagiere nach Aalborg gefahren und auf zwei Hotels verteilt, und Gerd lag nun in dem fremden Hotelbett, in einer fremden Stadt, jetzt, wo sie doch im Hotel Reichshof in Hamburg hätte sein sollen. Jetzt, wo es nur noch ein paar Stunden waren, bis Busch sie erwartete, sie und den Vertrag, diesen unerhört wichtigen Vertrag. Was nun? Er flog nach Amerika, und dorthin mußte man ihm das Schriftstück nachsenden, sobald man die Adresse wußte. Dabei gingen kostbare Tage verloren. Vielleicht würde „Solfoss Holzimport“ es sich inzwischen anders überlegen.
    Was half es Gerd, daß die Fluggesellschaft ein großartiges Essen bot, was half es, daß sie im Hotel wohnte, ohne daß es sie eine Öre kostete, was half alle tröstende Liebenswürdigkeit?
    Auch daß Helge Jerven ihre Hand beim Gutenachtsagen so fest gedrückt hatte und seine blauen Augen dabei so warm und intensiv in die ihren blickten, konnte ihr nicht helfen.
    Helge Jerven…
    Er war anders als Trygve, ernster, hatte nichts von Trygves strahlender Heiterkeit. Helge Jerven hätte niemals so handeln können, wie Trygve es damals tat: sehnsüchtige Liebesbriefe schreiben und gleichzeitig mit einer Freundin in ein Hotel gehen und sie als seine Frau ausgeben!
    Gerd wurde fast physisch übel, wenn sie an den Brief dachte, den er hinterher an sie geschrieben hatte, voll hohler Phrasen und Erklärungen. Hohl und unecht alles! Jetzt
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