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Ein tüchtiges Mädchen

Ein tüchtiges Mädchen

Titel: Ein tüchtiges Mädchen
Autoren: Berte Bratt
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zu bekommen und ein süßes kleines Mädel zu haben, für das man Geschenke kaufen konnte, aber im Grunde kannten wir einander nicht, Gerd, und das war der Fehler.
    Es dauerte ziemlich lange, ehe es mir klar wurde, daß Erna durchaus nicht das hilflose kleine Ding war, für das ihr Vater sie gehalten hatte. Im Gegenteil. Sie hat einen starken Willen und ist ein furchtloses, zielbewußtes und ehrgeiziges Menschenkind.
    Das soll kein Tadel sein. Im Gegenteil, es sind gute Eigenschaften, aber sie stellten meine vorgefaßten Begriffe auf den Kopf. Man kann sich vortäuschen, ein kleines Mädchen gern zu haben, solange sie an die männliche Fähigkeit, zu helfen und zu stützen, appelliert. Entdeckt man dagegen, daß durchaus kein Bedarf für Helfen und Stützen vorhanden ist, so wird die Grundlage des ganzen Verhältnisses zerstört, und man entdeckt, daß dies alles keine Liebe war.
    Das wurde mir vor einigen Monaten klar.
    Ich sprach mit Erna, mußte aber entdecken, daß sie sich an unsere Verlobung klammerte, nicht aus Liebe, sondern aus Ehrgeiz.
    ,Jetzt habe ich auf dich gewartet, solange du ein gewöhnlicher Schiffsoffizier warst, und nun, wo du endlich die Chance hast, Kapitän zu werden, willst du mich versetzen’, sagte sie.
    Ich hätte damals hart gegen hart setzen sollen, meinst Du wohl. Ja, darin kannst Du recht haben. Aber siehst Du, Gerd, es war nicht so leicht. Und noch eins: Damals hatte ich Dich noch nicht getroffen.
    Aber dann begegnete ich Dir. Und ich wußte sofort: Das ist die Frau meines Lebens! Ich war mit Dir zusammen in Hamburg. Da lag ich wach in den Nächten, ich dachte und dachte und fühlte mich schrecklich unglücklich. Aber ich beherrschte mich. Gerd, nicht wahr, Du kannst mir wegen meines Verhaltens in Hamburg keinen Vorwurf machen?
    Gott weiß, es ist mir bitter schwergefallen, aber ich wollte Dir meine Liebe nicht gestehen, solange ich, wenn auch nur dem Namen nach, an eine andere gebunden war.
    Ich brannte darauf, Dir zu schreiben, wollte und konnte es aber nicht, bevor ich nicht reinen Tisch gemacht hatte.
    Dann wurde der Kapitän der ,Babette’ krank. Ich mußte einspringen, alles ging ziemlich überstürzt, und ich kam nicht dazu, nach Oslo zu fahren, um mich endlich mit Erna auszusprechen. Ich schrieb ihr, erklärte ihr alles. Nun ja, ich tat es so schonend wie möglich, aber doch so, daß sie nicht im Zweifel über meine Absicht sein konnte. Ich beging jedoch den Fehler, es als einen Vorschlag zur Lösung unserer Verlobung hinzustellen, anstatt kurz, klar und bündig zu sagen: Ich kann nicht mehr, Schluß damit, fertig!
    Ja, das hätte ich tun müssen. Ich hätte wissen sollen, daß Erna einen Stoß verträgt und daß sie mich außerdem gar nicht liebhatte. Ich war eine Gewohnheit für sie geworden, wenn sie auch fand – und findet –, daß ich tödlich langweilig sei. Immer ging das so: ,Ach diese entsetzlich langweilige Musik, die du dauernd hören willst… ,Warum können wir nicht hingehen, wo es viele Menschen gibt und es ein bißchen lustig zugeht? Mein Gott, daß du es auf See aushältst. Na, ich bin bloß froh, daß ich nicht dabeisein brauch’. – Es gibt eine Menge rechtschaffener Menschen, die ebenso denken und fühlen, das soll also keine Kritik sein. Ich wollte Dir nur zeigen, wie verschieden wir sind.
    Wie gesagt, ich schrieb ihr also und bekam eine flüchtig gekritzelte Karte als Antwort. Ungefähr so: ,Hatte gerade so viel Zeit, um Deinen Brief zu lesen; bin augenblicklich sehr beschäftigt. Aber wir können ja darüber reden.’ Liebe Gerd, ich möchte ungern schlecht von meiner früheren Verloben reden, aber da ist etwas, das ich kurz erklären muß: Zu diesem Zeitpunkt hatte Erna schon Reeder Langedal junior am Bändel, wollte mich aber nicht freigeben, bevor sie seiner nicht ganz sicher war. So standen die Dinge, als sie an Bord kam, und deshalb hielt sie die Verlobung noch aufrecht.
    Da stand ich also, als sie mich – als sie uns überrumpelte. Und ich konnte doch nicht so gemein sein, aufzufahren und zu sagen: ,Was willst du denn? Ich bin durchaus nicht mir dir verlobt!’ Was hätte ich denn tun können, Gerd?
    Ich mußte mit jeder von Euch beiden sprechen. Ich fühlte mich überrumpelt und unfair behandelt, und inmitten meiner Verzweiflung auch noch unendlich lächerlich und schrecklich schofel.
    Ich wollte ja nicht so handeln, Gerd. Ich wollte Dich nicht aufsuchen, ehe alles klar und fertig war zwischen Erna und mir. Es war das Schicksal selbst, das
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