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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman
Autoren: Christoph Maria Herbst
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Moment muss ich mit anhören, wie ich zwei Zeilen des Tony-Marshall-Knallas »Bora Bora Hey« singe: »… Mein Paradies im Sommerwind / wo alle Menschen glücklich sind … Bora Bora Hey …«, und, ich höre und staune, er verfehlt seine Wirkung nicht: Wie in der bekannten Energy-Drink-Werbung kriege ich prompt Flügel, und der körperliche Ekel vor dem Selbstgesummten bringt mich am Ende in deutlich weniger als zehn Minuten ans Ziel.
    Ha! Neuer Rekord!
    Dass das Wasser der Lagune inzwischen in so bedrohliche Höhen gestiegen war, dass die Wellen nach so mancher Brücke, über die ich flog, gleichsam schon griffen, war mir, Gott sei Dank, entgangen.
    Vollkommen durchnässt, von Regen und Schweiß zu gleichen Teilen, setze ich mich an einen der wenigen leeren Tische, und absolut niemand nimmt Notiz von mir.
    Da ich das bisschen, was ich jetzt eh nur essen könnte, auch trinken kann, bestelle ich lediglich eine Flasche des preiswertesten Weißweins für umgerechnet € 95,– und zwei Gläser, vielleicht will der Sensemann ja auch ein Schlückchen.
     
    Dann die gute Nachricht: Ich bekomme ein Upgrade. Kann von dem Waterbungalow in die viel luxuriösere Beachvilla umziehen, aber nicht etwa, weil ich »Ssssstromberge« bin, sondern weil die Gefahr, dort zu sterben, geringer ist und das a) nicht nur die Versicherung der Hotelanlage freut, sondern b) auch die vorgelagerte Hauptinsel des Atolls, weil sie dort drüben ihre Särge heute alle noch selber brauchen werden.
    Dann die schlechte Nachricht: das Upgrade kriegen alle. Zehn Minuten später teile ich mir mit rund fünfundzwanzig Kolleginnen und Kollegen eine am Ende doch recht überschaubare Villa. Ab jetzt beginnt also das Fünf-Sterne-Leben im Container.
    Zum Glück habe ich wenigstens meinen Wein allein exen können. Der Schnitter hat anscheinend die letzte Fähre verpasst.

22
    Weißnichtwoundwiespät
    Mein liebes Logbuch!
    Eines habe ich ja schon immer gewusst, aber das hat sich in mehrfacher Potenz letzte Nacht bewahrheitet: dieses Filmvolk ist ein ganz spezielles.
    War das ein Geschnatter und Gezeter und Gemeuter bis sich alle auf den richtigen Unterlagen, neben den richtigen Kollegen, in der richtigen Position befanden. Allein die politisch korrekte Reihenfolge hinzubekommen, wer als Erster ins Bad
durfte
und wer als Letzter
musste!
Eigentlich wähnen wir uns vor Gott doch alle gleich, aber vorm Pott sind wir es dann auf einmal nicht mehr; der eine oder andere ist dann gleicher und lässt das auch raushängen. Beleuchter, Maskenbildnerinnen, Techniker, Producer, Schauspieler – da befindet sich mal eben die komplette gesellschaftliche Schere auf ein und derselben Matratze. Ein repräsentativer psychosozialer Querschnitt durch alle Schichten und ein El Dorado für jeden Verhaltensforscher.
    Ich lag im Mittelfeld.
    Dazu floss der Alkohol in Form von Bier, Wein und härteren Sachen in Strömen, alle machten weidlich Gebrauch davon, es kostete ja nichts. Die Hoteldirektion gab sich die Ehre einzuladen. Nur ein ruhiggestellter Gast ist auch ein guter Gast.
    Draußen tobte, rüttelte und klopfte es in einem fort, und man hatte fast den Eindruck, als bäte Susanne, Bettina oder Gisela, oder wie-auch-immer dieses Sturmtief hieß, um Einlass, um ein Schlückchen abzubekommen. Da hatte es die Rechnung aber ohne den Wirt gemacht. In seltener Eintracht behielten wir alles für und im Laufe der Nacht das meiste auch bei uns.
    Ich selbst schlief eher unrund; dafür aber umso runder, eine halbe Armlänge von mir entfernt, schön in hellblauem Frottee, ohne Block, aber mit Zähnen, unser aller Wolfjang. Wie ein Baby hatte er sich bäuchlings in den Schaumstoff gedrückt und war mit einem seligen Lächeln als einer der Ersten eingeschlummert, um nun mit bestimmt 70 Dezibel und der Säge des Grauens ganze Wälder niederzumetzeln.
    Aus den anderen Ecken unserer landschulheimeligen Herberge drangen auch die einen oder anderen Geräusche, nur dass die sich in der Dunkelheit weder eindeutig zuordnen ließen noch man genau sagen konnte, welchen Ursprungs sie waren. Wollte man aber auch gar nicht. Ich hatte mit meinem Düsenjet in unmittelbarer Nachbarschaft genug zu schaffen, und wenn ich ihn nicht so gerne gemocht hätte und er nicht Träger des Bundesverdienstkreuzes wäre, ich hätte ihm längst die Ohren langgezogen, damit er sich selbst mal zuhören kann. Vor sich selbst weggelaufen wär er. So aber war ich es, der zum Zuhören verdammt war und kurz davor, erstes
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