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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman
Autoren: Christoph Maria Herbst
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Abgesehen davon, dass ich dachte, sie sei stumm, und ich nun schon diese Spontanheilung verkraften muss, lautet das englische Wort, das sie mit Fragezeichen versehen spricht: »Peeeenis?«
    Oha! Hier möchte sich anscheinend jemand ein Trinkgeld dazuverdienen. Pfeilschnell gurgel ich ihr ein »Oh, no, that’s very nice, but, no, thank you, no-hooooo!« entgegen, das sie kopfschüttelnd, tatsächlich, kopfschüttelnd, zur Kenntnis nimmt, um fortzufahren mit der jugendfreien Handarbeit.
    Keine zehn Minuten später stellt sie dieselbe Frage. Diesmal durchaus engagierter: »Peeeeeeeeeniiiis, Sir?« und mir entfährt eine noch entschiedenere Danksagung mit Ablehnung, was sie wiederum ungläubig, ja, fast widerwillig quittiert. Hier ist aber jemand abenteuerlustig.
    Wow. Ayurveda.
    Weitere gefühlte fünfzehn Minuten später fragt sie natürlich ein drittes Mal, und diesmal verstehe ich sie anscheinend das erste Mal richtig. Öl in meinen Gehörgängen dürfte bislang schuld an dem Missverständnis gewesen sein. Sie fragt nämlich: »Fiiiiniish?!?«, was ich errötend und rasch benicke.
    Ich meine, auch über ihr Gesicht eine gewisse Erleichterung huschen zu sehen und verlasse zumindest leicht amüsiert diese vermeintliche Höhle des Lasters, um morgen zum letzten Mal zu kommen, nämlich zur Shirodhara-Behandlung, das berühmte Öltropfen auf die Stirn, von dem alle Welt schwärmt, es sei so wunderbar entspannend.
    Angeblich regt die Tropferei in der Folge Gehirn und Nerven an. Mich regt die Tropferei allenfalls auf, und zwar schon nach fünf Minuten. Von Entspannung keine Spur. Ich könnte die gesamte Bude auseinandernehmen. Die chinesische Wasserfolter muss die kleine Schwester dieser Prozedur sein, außerdem habe ich das ständige Bedürfnis, einen Klempner anzurufen. Das unüberhörbare Tropfen löst diesen Mechanismus einfach bei mir aus. Vielleicht haben die Mädels was falsch gemacht?!
    Und am Nachmittag zur Krönung auch noch Akshitarpan, die Augenbehandlung! Das muss ganz gruselig sein, und ich gehe nur mit größter Überwindung zu meinem Termin in die »Cottage«.
    Es gibt kein Beschönigen: Es wird für mich zur Hölle! Zuerst wird mir ein Ring aus Weizenteig um die Augen gelegt und dann Ghee – geklärte Butter, bei der alles, nur nicht die Frage des Geruchs geklärt wurde: sie stinkt wie ein Iltisstall – in die Augen geschüttet. Nicht etwa geträufelt, o nein, geschüttet! Dabei soll man auch noch mit den Augen rollen, damit sich das Zeug richtig schön in den Höhlen verteilt. Augen rollen – das krieg ich hin. Diese Masse brennt wie Hölle und raubt mir auch das letzte bisschen Sehkraft, das ich als Brillenträger noch habe. Am liebsten würde ich es diesen Sadisten heimzahlen – wenn ich sie nur sehen könnte! Riechen ist auch keine Lösung, denn die Damen würden einfach nur ein weiteres Luftplätzchen backen und meine Verwirrung wäre perfekt. Meine Augen, vom Fett tief in den Schädel zurückgedrängt, beobachten ganz verschwommen aus dem Innern, was sich außerhalb abspielt. Das ist alles wie ein billig gemachter Splatterfilm. Doch wie durch ein Wunder wird mein Blick wieder klar, als mir die Hannibal-Lector-Maske aus Weizenteig abgenommen und das Fett aus den Augenwinkeln getupft wird. Nur brennen tut es danach immer noch, als wäre ich Opfer einer aztekischen Chili-Folter geworden.
    Ich bin erbost und empört, nicht zuletzt, weil hier zu allem Überfluss einem Wohlstandseuropäer nährwerthaltige Lebensmittel in die Augen gedrückt werden, mit denen man so viele Menschen hätte satt machen können! Schließlich wurden auf meinem Körper auch schon zwei Kilo Reis zermatscht. Außerdem habe ich berechtigte Angst, nie wieder richtig sehen zu können, und zynischerweise rät man mir – und das bei dem hiesigen Klima! – für die nächsten paar Stunden Sonne und Wind zu meiden. Brülla.

21
    Boring Boring, Mittwoch, 27. Januar, 7.34 Uhr
    In Deutschland ist’s grad Nacht, während ich das müde Haupt aus den Kissen hieve, um gleich mal frühstücken zu gehen.
    Es ist vollbracht: hatte gestern meinen letzten Drehtag, und das kann nicht jeder von sich behaupten. Das Wetter hier schlägt so unglaubliche Kapriolen, dass wir meistenteils nicht arbeiten konnten: Stürme, Regen und Ähnliches mehr machten uns immer wieder den Garaus.
    Nun greift Plan B, und einige meiner schauspielenden Kollegen werden irgendwann in den nächsten Monaten noch mal auf den Bermudas oder Malediven antanzen
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