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Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman

Titel: Ein Traum von einem Schiff. Eine Art Roman
Autoren: Christoph Maria Herbst
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und legt mich auf den Tisch.
    Das Team besteht aus zwei Personen, die nur das Nötigste an Englisch sprechen, sich aber sowieso nicht unterhalten, sondern mich dafür umso emsiger in synchroner Harmonie einzuölen und zu massieren beginnen. Keine Muskelpartie wird ausgelassen, selbst Hände, Füße, Hals und Gesicht werden bearbeitet. Wer allerdings – wie ich – auf das Kommando »Turn to your left« zu schwungvoll reagiert, landet – ebenfalls wie ich – auf dem Fußboden. Mist, hatte irgendwie die Gleitwirkung des Öls unterschätzt. Peinlich.
    Als sich der Aufruhr gelegt hat und ich mich wieder aufgelesen habe, kann ich mich auf die Massage konzentrieren und finde sie ganz angenehm. Das ist eben der Unterschied zwischen sanften polynesischen Fingern und brutalen deutschen Pranken. Eher unangenehm ist allerdings, was auf die Massage folgt: man sperrt mich in einen Schwitzkasten, aus dem gerade mal der Kopf herausschaut, während Leib und Schenkel mit heißem Dampf gegrillt werden. »Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald« – kein Wunder, dass mir ausgerechnet in diesem Moment dieser blöde Slogan in den Sinn fährt.
    Geradezu widerlich heiß ist das, aber auch schön, denn der Schweiß schießt sturzbachähnlich aus allen Poren, sogar an Stellen, von denen ich gar nicht wusste, dass ich dort Stellen habe, und ich erlebe unwillkürlich ein Gefühl von intensiver, innerer Reinigung. Ich will nur nicht hoffen, dass ich mich nach diesem Bratvorgang auf einem Teller neben ein paar fettigen Fritten wiederfinde. Und so, oder doch zumindest so ähnlich, werde ich jetzt die nächsten knapp 3 Tage verbringen.
    Die Aussicht auf verschiedene Behandlungsarten macht Mut. Wer weiß, welche erhebenden Momente ich hier noch erleben darf. Ein wohl eher erbebender als erhebender Moment ereignet sich bereits am nächsten Tag. Vielleicht liegt es an der ansonsten gesunden indischen Ernährung mit vielen Hülsenfrüchten, die zu verkosten ich mich habe breitschlagen lassen. Während der üblicherweise lautlos ablaufenden Massage schrecke ich nämlich hoch, weil zuerst die eine der beiden Masseurinnen ungeniert rülpst und die zweite als Zugabe noch unüberhörbar einen kleinen frechen Wind durch den Raum knattert.
    Zum Glück liegt ein Handtuch über meinem Kopf. Zum einen können die ungenierten Damen so mein wegen Lachunterdrückung hochrot anlaufendes Gesicht nicht sehen und zum anderen wirkt das fein gewobene Leinen wie ein Luftfilter. Und auch die »kosmetische Gesichtsbehandlung für den Mann«, zu der ich danach gebeten werde, löst Großes in mir aus. Ich bekomme einen gigantischen Eiterpickel an einer Stelle, an der ich noch nie einen hatte.
    Dann steht das Seka-Ölbad an. Grundsätzlich läuft die Massage ab wie sonst auch, nur wird im Mittelteil nicht massiert, sondern Schwämme mit heißem Öl werden über einem ausgewrungen. Mmmh, irgendwie erotisch, wenn das Öl in der Leistengegend auf den Körper tropft … zum Glück sind die Masseurinnen nicht halb so erotisch. Wenn ich die Augen also offen lasse, muss ich mich nicht zwingen, an »Finanzamt«, »Brot« oder »Roland Koch« zu denken, um zu verhindern, dass sich das Handtuch untenrum wie von Geisterhand in Schrittgeschwindigkeit hebt. Am Ende der Prozedur kommen die praktischen Schaber aus Kokosblättern zum Einsatz; mit ihnen wird das überschüssige Fett regelrecht vom Körper abgezogen – das ist so ein bisschen wie Fensterputzen – mit mir als Fenster. Für alle übrigens, die, wie ich, zu leicht fettendem Haar tendieren, mutet das jeder Ölbehandlung folgende Haarewaschen wie reine Schikane an. Ich finde mich im Stillen bereits damit ab, dass ich niemals frisches, duftiges, seidiges, goldschimmerndes Haar haben werde, sondern nur noch farblich undefinierbare, übelriechende Ölsträhnen. Und dazu werde ich stinken wie der hexenhafte Blubberkessel. Prost Mahlzeit!
    Abwechslung in der Therapie: Navara, die Reismassage. Das ist ein ganz neues, stranges, aber auch angenehmes Gefühl. Dicke, heiße Reisklumpen werden von den Masseurinnen in meinen Körper einmassiert, bis eine weiße, körnige Paste übrig bleibt. Danach werden wieder Fenster geputzt und anschließend gibt es das letzte Mal was Fettiges – die letzte Ölung sozusagen. Nicht schlecht!
    Für einen Moment stockt mir allerdings der Atem, als sich mitten in diesem glitschigen Abschlussritual die eine der massierenden polynesischen Damen mit einer Frage an mich wendet.
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