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Ein Toter zu wenig

Ein Toter zu wenig

Titel: Ein Toter zu wenig
Autoren: Dorothy Leigh Sayers
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sah gleich, welche Wirkung der Schlag gehabt hatte, als er darauf stieß - o ja, ich würde gern einmal sein  Gehirn sehen, Mr. Parker - und sich vorzustellen, daß - du lieber Himmel, Lord Peter, Sie wissen ja gar nicht, was für einen Schlag Sie dem ganzen Stand versetzt haben - der ganzen zivilisierten Menschheit! Aber mein Bester! Können Sie mich das fragen? Natürlich sind meine Lippen versiegelt - unser aller Lippen sind versiegelt.«
    Der Weg zurück über den Friedhof. Wieder Nebel und das Knirschen von feuchtem Kies. »Sind deine Leute bereit, Charles?«
    »Sie sind schon weg. Ich habe sie gleich losgeschickt, als ich Lady Levy zum Wagen begleitete.«
    »Wer ist dabei?«
    »Sugg.«
    »Sugg?«
    »Ja doch - der arme Teufel. Man hat ihn im Präsidium zur Schnecke gemacht, weil er den Fall so verpfuscht hat. Alles, was Thipps über diesen Nachtclub gesagt hat, ist nämlich bestätigt worden. Dieses Mädchen, dem er den Gin spendiert hat, ist gefunden worden und hat ihn identifiziert, und da haben sie wohl gesehen, daß sie auf dem Holzweg waren, und haben Thipps und die kleine Horrocks laufenlassen. Dann haben sie Sugg gesagt, daß er seine Befugnisse überschritten hat und sorgfältiger hätte vorgehen sollen. Stimmt ja auch, aber er kann doch nichts dafür, daß er ein Trottel ist. Er tat mir leid. Vielleicht tut es ihm gut, wenn er beim Abschluß dabei ist. Immerhin waren wir beide ja auch im Vorteil, Peter.«
    »Schon. Na ja, macht nichts. Egal wer dabei ist, sie kommen sowieso nicht rechtzeitig hin. Da darf es auch ruhig Sugg sein.« Aber Sugg war - ein seltenes Ereignis in seiner Karriere - diesmal rechtzeitig.
    *
    Parker und Lord Peter saßen in Wimseys Wohnung. Lord Peter spielte Bach, und Parker las Origenes, als Sugg gemeldet wurde.
    »Wir haben unsern Mann, Sir«, sagte er.
    »Großer Gott!« rief Peter. »Lebend?«
    »Wir kamen gerade im rechten Augenblick, Mylord. Wir haben geläutet und sind an seinem Diener vorbei direkt in die Bibliothek gegangen. Da saß er und schrieb. Als wir eintraten, wollte er sich schnell eine Spritze schnappen, Mylord, aber wir waren zu flink für ihn. Nachdem wir einmal soweit waren, wollten wir ihn uns nicht noch durch die Finger schlüpfen lassen. Wir haben ihn gründlich durchsucht und abgeführt.«
    »Dann sitzt er also jetzt tatsächlich hinter Gittern?«
    »Ja - und gut aufgehoben - mit zwei Wärtern, damit er sich nicht schnell noch umbringt.«
    »Sie überraschen mich, Inspektor. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    »Danke, Mylord. Ich darf sagen, daß ich Ihnen sehr dankbar bin - dieser Fall wurde für mich langsam zum Alptraum. Wenn ich einmal grob zu Eurer Lordschaft war -«
    »Oh, das ist schon vergessen, Inspektor«, sagte Lord Peter rasch. »Ich wüßte auch gar nicht, wie Sie darauf hätten kommen sollen. Immerhin hatte ich das Glück, aus anderen Quellen das eine oder andere darüber zu wissen.«
    »Das sagt auch Freke.« Für den Inspektor war der große Chirurg bereits zu einem gewöhnlichen Kriminellen geworden - nur noch ein Nachname. »Er schrieb gerade ein umfassendes Geständnis, als wir ihn uns schnappten - an Eure Lordschaft gerichtet. Die Polizei wird es natürlich brauchen, aber da es an Sie adressiert ist, habe ich es mitgebracht, damit Sie es zuerst sehen. Hier ist es.«
    Er reichte Lord Peter ein umfangreiches Schriftstück. »Danke«, sagte Peter. »Möchtest du es hören, Charles?«
    »Gern.«
    Also las Lord Peter laut vor.

13. Kapitel
    Sehr geehrter Lord Peter!
Als junger Mann pflegte ich mit einem alten Freund meines Vaters Schach zu spielen. Er war ein sehr schlechter und langsamer Spieler, der nie sah, wann ein Matt unvermeidlich war, und jede Partie bis zum letzten Zug zu Ende spielen mußte. Da ich für so ein Verhalten noch nie etwas übrig hatte, gebe ich jetzt freimütig zu, daß Sie das Spiel gewonnen haben. Ich muß entweder hierbleiben und mich aufhängen lassen oder ins Ausland fliehen und in Untätigkeit und Verborgenheit weiterleben. Ich ziehe es vor, meine Niederlage einzugestehen. Wenn Sie mein Buch über Kriminelle Geistesgestörtheit  gelesen haben, werden Sie sich erinnern, daß ich darin geschrieben habe: »In der Mehrzahl der Fälle verrät der Verbrecher sich selbst durch eine Anomalie, die auf eben diesem pathologischen Zustand seines Nervengewebes beruht. Seine geistige Instabilität zeigt sich in verschiedenen Formen: übersteigerte Eitelkeit, die ihn dazu bringt, mit seiner Leistung zu prahlen; eine
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