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Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Ein Totenhemd fur einen Erzbischof

Titel: Ein Totenhemd fur einen Erzbischof
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wurde von plötzlicher Trauer übermannt, und zu ihrem Ärger traten ihr Tränen in die Augen. Sie dachte an Cian und an Eadulf und wünschte, sie wäre wieder ein junges Mädchen, das die aimsir togu , die Zeit der Wahl, und das ganze Leben noch vor sich hatte. Sie versuchte zu lächeln.
    «Ich werde Euer Geschenk annehmen, Licinius, und es ebenso ehren wie den Geist, in dem Ihr es mir überreicht habt.»
    Licinius bemerkte Eadulfs starren Blick. Ruckartig richtete er sich auf und wurde plötzlich förmlich. «Danke, Schwester. Ich wünsche Euch eine sichere Reise zurück in Eurer Heimatland. Gott sei mit Euch, Fidelma von Kildare.»
    « Dia ar gach bóthar a rachaidh tú , Licinius, wie wir in meiner Sprache sagen: Gott sei mit Euch auf allen Wegen.»
    Der junge Offizier der Palastwache salutierte, drehte sich auf dem Absatz um und schritt davon.
    Mit offensichtlichem Mißbehagen sah Eadulf ihm nach. Dann wandte er sich in bemüht scherzhaftem Ton an Fidelma.
    «Mir scheint, Ihr habt eine Eroberung gemacht.» Fidelma wandte sich ab, doch ihre ärgerliche Miene war ihm nicht entgangen, und er fragte sich, womit er diese ausgelöst hatte. Betreten stand er da, während sie das Ebenholzkästchen schloß, es wieder in das Sackleinen wickelte und in ihrem Gepäck verstaute.
    «Fidelma …», begann er verlegen, hielt inne und stieß einen heftigen Fluch in seiner Muttersprache aus.
    Sie erschrak so über die ungewohnten Kraftausdrücke, daß sie erstaunt den Kopf hob. Eadulf blickte zum Ende des Stegs, wo gerade eine lecticula angehalten hatte. Begleitet wurde sie von einer Gruppe von custodes , deren Uniform eher wie ein Relikt aus dem heidnischen Rom der Kaiserzeit als wie ein Symbol der christlichen Gegenwart wirkte. Der hochgewachsene Bischof Gelasius kletterte aus der Sänfte. Er hieß seine Begleiter warten und trat allein auf den hölzernen Steg.
    Äbtissin Wulfrun eilte ihm entgegen. Fidelma konnte ihre schrille, durchdringende Stimme hören.
    «Ah, Bischof Gelasius! Es ist Euch also zu Ohren gekommen, daß ich Rom heute verlasse?» begrüßte sie ihn.
    Gelasius blinzelte sie an, als sehe er sie zum ersten Mal.
    «Wie, bitte? Nein», erwiderte er kühl. «Ich wünsche Euch eine gute Reise. Aber ich bin gekommen, um mich von jemand anderem zu verabschieden.»
    Er eilte weiter und ließ die empörte Äbtissin von Sheppey einfach stehen.
    «‹Hochmut kommt vor dem Fall›», wiederholte Eadulf leise.
    Mit großen Schritten ging Bischof Gelasius direkt auf das Sonnensegel zu, unter dem Fidelma saß. Zögernd erhob sie sich, um ihn zu begrüßen.
    «Fidelma von Kildare», sagte der nomenclator des Heiligen Vaters lächelnd, ohne Eadulf weiter zu beachten. «Ich konnte Euch unmöglich abreisen lassen, ohne Euch meine besten Wünsche für eine sichere Heimreise mit auf den Weg zu geben.»
    «Das ist sehr gütig von Euch», erwiderte Fidelma.
    «Gütig? Oh, nein, wir verdanken Euch so viel, Schwester. Ohne Eure Einsatzbereitschaft … und natürlich ohne Bruder Eadulfs Hilfe … hätte Rom möglicherweise eine folgenschwere Auseinandersetzung zwischen Irland und den sächsischen Königreichen erleben müssen.»
    Fidelma zuckte die Achseln. «Ich habe nur meine Pflicht getan, Gelasius», sagte sie.
    «Schon das Gerücht, Wighard sei durch die ruchlose Tat eines irischen Mönchs ums Leben gekommen, hätte die Sachsen womöglich …» Gelasius hielt inne und zögerte, dann sah er Fidelma offen ins Gesicht. «Ich gehe davon aus, daß Ihr die Wünsche des Heiligen Vaters in dieser Angelegenheit achten werdet?»
    Er schien erstaunt, als Fidelma auflachte.
    «Ist das der wahre Grund Eures Kommens, Gelasius? Sicherzugehen, daß ich Rom nicht in Verlegenheit bringen werde?»
    Die Unverblümtheit dieser Frau verschlug Gelasius zunächst die Sprache. Allerdings mußte er sich eingestehen, daß sie im Grunde recht hatte. Hauptsächlich hatte er sich aus Besorgnis auf den Weg quer durch Rom gemacht, um vor ihrer Abreise noch einmal mit der irischen Nonne zu sprechen. Lächelnd sah er Fidelma an.
    «Gibt es denn keine Wahrheit, die sich vor Euch verbergen läßt, Fidelma von Kildare?» fragte er.
    «Doch, einige solcher Wahrheiten gibt es schon», antwortete sie nach einer Weile und warf Eadulf einen kurzen Seitenblick zu. Aber der sächsische Mönch betrachtete aufmerksam den Bischof.
    «Nun, da wir die Sache schon einmal angesprochen haben: Meiner Ansicht nach sollten wir in unserem offiziellen Bericht an die sächsischen Könige
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