Ein süßer Traum (German Edition)

aus
Die Terroristin
( 1985 ), die es als ihre Aufgabe betrachtet, eine Hausgemeinschaft zusammenzuhalten, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen. Eine weitere Schwester dieser Frauenfiguren ist Sarah Durham aus
Und wieder die Liebe
, die erst als nicht mehr junge Frau lernt, ihre emotionalen und erotischen Bedürfnisse zu achten.
    Auch andere Figurenkonstellationen aus
Ein süßer Traum
spiegeln sich in früheren Werken. In
Die viertorige Stadt
, dem letzten Roman des Zyklus »Kinder der Gewalt«, bezieht beispielsweise die psychisch kranke Lynda das Untergeschoss des Hauses, in dem Martha wohnt – ähnlich wie Phyllida in
Ein süßer Traum
. Bemerkenswert ist dabei auch, dass Doris Lessing, wie schon erwähnt, an
Die viertorige Stadt
gearbeitet hat, während sie in den sechziger Jahren als »Haus-Mutter« fungierte. Es ließe sich spekulieren, ob es in dieser Zeit im Leben der Autorin ein Vorbild für Phyllida/Lynda gegeben hat, oder ob eine literarische Figur wie Lynda, die Doris Lessing in den sechziger Jahren für
Die viertorige Stadt
erschuf, unter dem Namen Phyllida in
Ein süßer Traum
erscheint.
    Und ein Charakter wie Genosse Johnny, dessen abgelegte Partnerinnen ihr Leben gemeinsam zu meistern versuchen, hat nicht nur ein Vorbild in Doris Lessings Leben, sondern auch literarische Spiegelbilder. So erscheinen ähnliche Figuren etwa in den Erzählungen
Die andere Frau
aus dem Jahr 1953 oder
Er
aus dem Jahr 1957  – weitere Beispiele ließen sich nennen.
     
    Betrachtet man
Ein süßer Traum
in Hinsicht auf die Chronologie des Gesamtwerks, so lag ein produktives Jahrzehnt mit einer Vielzahl unterschiedlicher neuer Werke hinter der Autorin, als sie ihren Roman 2001 im zweiundachtzigsten Lebensjahr veröffentlichte. Unmittelbar zuvor hatte sie mit
Ben, in der Welt
( 2000 ) an ihren großen Romanerfolg
Das fünfte Kind
von 1988 angeknüpft und mit
Mara und Dann
( 1999 ) eine visionäre Parabel auf die Zerstörung der Natur veröffentlicht. In den neunziger Jahren waren neben den beiden Bänden ihrer Autobiografie auch ein Band mit Reiseberichten aus Simbabwe ( 1992 ), ein Band mit Kurzgeschichten ( 1992 ) sowie der schon erwähnte realistische Roman
Und wieder die Liebe
( 1996 ) erschienen, in dem sie die Geschichte einer alternden Frau erzählt, die sich neu verliebt.
    Auf all diese Formen des Schreibens – fantastische Literatur, Erzählung, Reisebericht, Autobiografie – hat Doris Lessing in den vielen Jahrzehnten ihrer Arbeit immer wieder zurückgegriffen. Das realistische Erzählen wie in
Ein süßer Traum
macht zwar einen Großteil ihres Werks aus, ist aber eine literarische Form unter vielen. Wenn Doris Lessing realistisch erzählt, dann meist von den Wandlungen, die das Leben von Frauen mit sich bringt.
     
    Großen Raum nimmt in ihrem Werk auch Afrika ein, der Kontinent, auf dem sie die ersten drei Jahrzehnte ihres Lebens verbrachte. So spielt etwa ihr erster Roman
Afrikanische Tragödie
von 1950 in der damaligen britischen Kolonie Südrhodesien, dem heutigen Simbabwe, zahlreiche Kurzgeschichten aus den fünfziger und sechziger Jahren sind in Afrika angesiedelt wie auch ein Erzählstrang aus
Das goldene Notizbuch
.
    Hintergrund für die Darstellung von Sylvias aufopferungsvoller Arbeit in
Ein süßer Traum
dürften Doris Lessings Reisen nach Simbabwe gewesen sein, die sie in den achtziger und frühen neunziger Jahren unternahm und von denen sie in ihrem Buch
Rückkehr nach Afrika
( 1992 ) berichtet. Seinerzeit war sie als Journalistin in die ehemalige britische Kolonie zurückgekehrt, die 1980 unabhängig geworden war. Zustände wie die, mit denen Sylvia im – fiktiven – Simlia zu kämpfen hat, hat Doris Lessing in
Rückkehr nach Afrika
aus eigener Anschauung beschrieben. Für den Roman hat sie ihre Eindrücke aus Afrika allerdings ebenso fiktionalisiert wie ihr persönliches Lebensumfeld aus den sechziger Jahren. Dies gilt in noch höherem Maße und unter anderem Vorzeichen übrigens auch für den bereits erwähnten Roman
Mara und Dann
, der in zeitlicher Nähe zu
Ein süßer Traum
entstand. Hier hat Doris Lessing ein modernes Märchen gestaltet, in dem ein Geschwisterpaar auf der Flucht vor den Katastrophen einer zerstörten Natur einen ganzen Kontinent durchquert. Basis hierfür waren Erinnerungsbilder, die ihrerseits konkreter Anschauung entstammen: »Meine Bücher leben immer wieder von Bildern aus Afrika. (…) Der Staub, die ausgetrockneten Flüsse, die sterbenden Bäume, die Frauen,